Die Schuldlosen (German Edition)
schaffen gemacht. Er war auch in meiner Wohnung.»
Sie schilderte die Sache mit den geköpften Rosen und dem verschwundenen Kunstledermäppchen. Die Anwältin hörte sich auch das noch an. Als Heike zum Ende kam, vergewisserte Greta Brand sich: «Und es gab nicht die geringsten Einbruchspuren?»
«Nein», antwortete Heike wahrheitsgemäß.
«Wie soll Alex sich denn Zutritt verschafft haben?»
«Ich weiß es nicht», sagte Heike. «Ich dachte, wenn er in der Schlosserei gearbeitet …»
«Hat er nicht», wurde nun sie unterbrochen. «Und selbst wenn, es ist nicht möglich, einen Schlüssel ohne entsprechende Vorlage anzufertigen.»
«Das vielleicht nicht», sagte Heike. «Aber es gibt Werkzeug, mit dem man jedes Schloss aufmachen kann.»
Durchs Telefon hörte sie die Anwältin seufzen. «Wenn Sie wirklich nicht selbst aktiv geworden sind, verstehe ich Ihre Aufregung, Frau Jentsch. Aber ich verstehe nicht, warum Sie nicht umgehend die Polizei gerufen haben, als Sie feststellten, dass jemand bei Ihnen eingedrungen war.»
«Glauben Sie, darüber hätte ich nicht nachgedacht?», wurde Heike laut. «Aber nach der Abfuhr wegen dem gelösten Reifen hatte ich keine Lust auf weitere Beschwichtigungen.» Sie seufzte und fuhr etwas gemäßigter fort: «Hören Sie, ich wollte Alex damals nicht loswerden, und ich will ihm heute nicht wieder etwas anhängen, was er vielleicht nicht getan hat. Ich will nur, dass er uns in Ruhe lässt. Machen Sie ihm das klar und sorgen Sie dafür, dass er die Finger von meinem Auto lässt und mir die Schlüssel zurückgibt.»
«Es steht aber doch gar nicht fest, dass er …», ergriff Greta Brand erneut Partei für ihren Mandanten.
«Ist mir klar, dass Sie das sagen müssen», unterbrach Heike sie wieder. «Mir ist auch klar, dass er es nicht zugeben wird. Muss er auch nicht. Es reicht, wenn er das Mäppchen in meinen Briefkasten wirft. Richten Sie ihm das aus. Und glauben Sie mir, dass ich sonst keinen wüsste, der eine Veranlassung für so eine Inszenierung gehabt hätte. Ich kann Ihnen gerne zeigen, was er gemacht hat, wenn Sie mir Ihre Mailadresse durchgeben.»
Greta Brand ließ sich nicht lange bitten. Heike wiederholte die Angaben, damit Gerhild mitschreiben konnte. Dann beendete sie das Gespräch und schickte die Fotos vom Handy an die Kanzlei.
Noch am selben Tag erhielt Alex Besuch von seiner Anwältin. Es war schon nach sechs. Er bot ihr Kaffee und Schokokekse an, von denen Greta Brand gerne nahm.
Die Rosen-Fotos hatte sie ausgedruckt und mitgebracht. Die Qualität war nicht berauschend, aber man konnte gut erkennen, was Heike geschickt hatte. Greta Brand legte ihm eine DIN-A4-Seite nach der anderen vor. Natürlich bestritt er, dafür verantwortlich oder überhaupt in Heikes Wohnung gewesen zu sein.
«So was ist nicht mein Stil», sagte er und tippte auf das blutrote Herz mit dem grünen Pfeil. «Viel zu melodramatisch. Abgesehen davon weiß ich nicht mal, wo Heike jetzt wohnt.»
«Ich glaube einiges», erwiderte Greta Brand lächelnd. «Aber das glaube ich nicht.»
«Ist aber so», sagte er.
«Wechseln wir das Thema», schlug sie vor, nahm noch einen Keks, biss jedoch nicht hinein, sondern betrachtete ihn von allen Seiten, als sehe sie so etwas zum ersten Mal. Endlich sagte sie: «Frau Jentsch hatte Besuch von Silvie Steffens, die schwere Anschuldigungen …»
«Silvie hat keine Ahnung», unterbrach Alex sie. «Sie hat neulich erst von mir gehört …»
Greta Brand brachte ihn mit einer knappen, aber herrischen Geste zum Schweigen. «Jetzt rede ich, und das hätte ich schon tun sollen, als Ihr Bruder mich nach der Urteilsverkündung mit seiner These von der Revision abhielt.»
«Das war keine These …», begann Alex aufs Neue und wurde wieder herb zum Schweigen verdonnert, diesmal mit einem unüberhörbar scharfen Unterton.
«Noch habe ich das Wort!» Greta Brand war ein zierliches Persönchen, aber wenn sie die Anwältin in den Vordergrund stellte, glaubte sich manch einer einem weiblichen Herkules gegenüber. «Und wenn ich vor Prozessbeginn gehört hätte, was Ihr Bruder mir nach der Urteilsverkündung anvertraut hat, säßen wir beide heute wahrscheinlich nicht hier», erklärte sie. «Ich schätze, dann wäre die Sache anders ausgegangen.»
«Wenn Sie jetzt wieder damit anfangen, dass Heike …», startete Alex den dritten Versuch, nicht bis an sein Lebensende als Justizirrtum auftreten zu müssen.
«Nein», fiel Greta Brand ihm wieder ins Wort. «Frau
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