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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Nebenan begann ein Sittich zu zetern. Das Haus erwachte zum Leben, und Heike war tot. Gerhild wusste es, verinnerlicht hatte sie es noch nicht.
    Der eckige Knopf neben der Aufzugtür erlosch, die Innentüren der Kabine glitten auseinander, zwei Uniformierte traten in den Hausflur, ein Mann um die vierzig und eine blutjunge Frau. Gerhild schätzte sie auf Anfang zwanzig. Der Mann vergewisserte sich, dass Gerhild die Polizei alarmiert hatte, stellte sich und seine Partnerin vor. Kuhn und Barrisch, zwei Namen, die Gerhild kurz darauf schon wieder vergessen hatte. Dann wollte er wissen: «Haben Sie auch den Notarzt verständigt?»
    «Ihr hilft kein Arzt mehr», sagte Gerhild. «Sie liegt in der Wanne und ist tot.»
    Kuhn trat an ihr vorbei, traute wohl ihrem Urteil nicht. Da sie die Badezimmertür nicht wieder geschlossen hatte, fand er sich auch ohne gezielten Hinweis zurecht und brauchte nicht lange, um sich zu überzeugen, dass hier wirklich jede Hilfe zu spät kam.
    Er warf von den Zimmertüren aus noch rasch einen Blick in die anderen Räume, dann zückte er sein Handy. Gerhild hörte ihn reden. «Keine Anzeichen für Fremdeinwirkung. Sie scheint allein gewesen zu sein. Sieht nach Unfall aus.»
    Blödsinn, dachte Gerhild. Hinter ihr sagte Kuhn etwas von KDD und Erkennungsdienst, die trotzdem jemand auf den Weg bringen sollte. «Ich will mir später nicht anhören, wir hätten uns kurz vor Schichtende keine Scherereien mehr aufhalsen wollen. Mir sind zwar keine Verletzungen aufgefallen, aber …»
    «Sie hat eine Schramme über dem linken Ohr», redete Gerhild ihm dazwischen. «Die kann man jetzt nicht mehr sehen, weil ich ihr Gesicht zu mir herüber gedreht habe. Und ihr Rucksack ist weg. Es war auch nicht abgeschlossen. Sie hätte abgeschlossen und die Kette vorgelegt nach allem, was hier los war.»
    «Sekunde mal», sagte Kuhn ins Handy und kam näher. «Was war denn hier los, Frau Jentsch?»
    «Wissen Sie das gar nicht?», fragte Gerhild. «Alex Junggeburt ist wieder draußen. Er hat Heike bedroht und einen Reifen von ihrem Auto gelockert. Er war auch hier in der Wohnung, hat die Ersatzschlüssel geklaut. Und am Dienstag hat er vor Zeugen angekündigt …»
    In dem Moment erklang aus dem Schlafzimmer gedämpft, aber dennoch gut zu hören die Erkennungsmelodie von «Mission Impossible». Kuhn ließ Gerhild stehen, schritt durch die offene Tür, schaute sich suchend um, ging am Bett vorbei und bückte sich auf der Seite, die man von der Tür nicht einsehen konnte. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er sein Handy immer noch in der Rechten und mit der Linken den cremefarbenen Rucksack mit der üppig bestickten Lasche, den Heike mal auf einem Trödelmarkt erstanden hatte.
    «Meinten Sie diesen Rucksack?», fragte er.
    Gerhild nickte und schaute zu, wie er die Lasche zurückschlug und in den Beutel griff. Die Melodie wurde lauter.
    «Das ist bestimmt mein Mann», meinte Gerhild. «Er wird wissen wollen, was passiert ist. Eben hab ich ihn so schnell abgefertigt.»
    Dass Wolfgang sie viel eher auf ihrem eigenen statt auf Heikes Handy angerufen hätte, kam ihr nicht in den Sinn. So weit dachte Kuhn anscheinend auch nicht. Er kam zurück in die Diele, hielt ihr das Handy hin und bedeutete ihr mit einem Kopfnicken, das Gespräch anzunehmen.
    Sie meldete sich schlicht mit «Jentsch».
    Und eine Männerstimme, die sie nicht einordnen konnte, fragte: «Alles okay bei dir? Ich hab eben gesehen, dass du noch gar nicht aufhast.»
    «Nein», sagte Gerhild nur.
    Der Geräuschkulisse nach saß der Mann in der S-Bahn und hatte bei der simplen Namensnennung und dem einen Wörtchen offenbar nicht erkannt, dass er nicht mit Heike sprach. «Hat er dich gestern Abend noch mal belästigt?», wollte er wissen.
    Gerhild antwortete nicht mehr, reichte Kuhn das Handy, damit der den Rest übernahm. Sie fühlte sich dazu nicht in der Lage.
    Kuhn hatte sein Gespräch inzwischen abgebrochen mit dem Hinweis: «Ich melde mich gleich noch mal.» Dann brachte er erst mal in Erfahrung, wer der frühe Anrufer war: Lothar Steffens, mit dem er sich dann minutenlang unterhielt.
    Was er sagte, rauschte an Gerhild vorbei. Wie durch einen Schleier sah sie die junge Polizistin, die auch nur herumstand wie bestellt und nicht abgeholt, hörte deren mitfühlende Stimme wie durch Watte gedämpft. «Geht’s Ihnen nicht gut?»
    «Geht schon», antwortete Gerhild. «Es ist nur … Letzte Woche habe ich sie zusammengestaucht, weil sie ein paar Sachen fürs

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