Die Schuldlosen (German Edition)
Alex bald uninteressant. Ihn hatte man nicht auf die Wache bestellen müssen. Seine Fingerabdrücke und DNA befanden sich im System, weil er nach Janice Hecklers Tod erkennungsdienstlich behandelt worden war. Deshalb konnten seine Abdrücke sofort mit denen verglichen werden, die in Heikes Wohnung gesichert worden waren. Es gab keine Übereinstimmungen.
Ein DNA-Abgleich brauchte mehr Zeit. Allerdings rechnete niemand ernsthaft damit, nach dem von Rita Zumhöfer belauschten Wasserrauschen von dreißig bis vierzig Minuten überhaupt noch fremde DNA-Spuren an Heikes Leichnam zu finden. Da es bei Janice Heckler so ähnlich gewesen war, hätte man durchaus Parallelen sehen können, zumal sich bei den Sachen aus Heikes Waschmaschine kein Schlafanzug befand.
Aber Dina Brelach blickte in eine andere Richtung. Sie konzentrierte die Ermittlungen zu Anfang auf einen Mann, von dem sie vorerst nur wusste, dass er Mitte bis Ende vierzig, mittelgroß und untersetzt war, dass er ein rundliches, laut Rita Zumhöfer gutmütiges Gesicht, eine angenehm warme Stimme und eine Halbglatze hatte und wahrscheinlich eine handwerkliche Tätigkeit ausübte. Und mit so einer Tätigkeit passte dieser Mann vortrefflich zum Obduktionsbefund.
Schon die äußere Inaugenscheinnahme durch eine Rechtsmedizinerin bestätigte den Verdacht, dass Heike Jentsch erschlagen worden war. Verursacht worden war die tödliche Verletzung auf der rechten Seite des Schädels von einem quadratisch geformten Gegenstand mit einer Kantenlänge von etwa drei Zentimetern. Ein Hammer, mutmaßte die Rechtsmedizinerin. Derselbe Gegenstand hatte höchstwahrscheinlich auch die vom linken Scheitelbein bis zum Ohr reichende Platzwunde verursacht, von der Gerhild nicht mehr als den unteren Ausläufer gesehen hatte. Die Rechtsmedizinerin nannte es den ersten Versuch, Heike Jentsch zu töten.
Das passte doch perfekt zu einem biederen Handwerker, der mit einem Hammer umzugehen wusste, aber normalerweise nicht damit auf Menschen eindrosch. So einer musste zuerst eine Hemmschwelle überwinden.
Der erste Schlag war nicht heftig genug ausgeführt worden, um den Knochen zu verletzen. Vielleicht hatte Heike zudem eine unerwartete Bewegung gemacht, über die Schulter geblickt, weil sie doch hinter sich etwas gehört hatte, sodass der Hammer auf der Kopfschwarte abgerutscht war.
Dass sie nach dem ersten Schlag noch aufrecht gestanden hatte, bezweifelte die Rechtsmedizinerin jedoch ebenso wie die Annahme, sie sei in der Wanne zusammengebrochen. Als zierliches Persönchen konnte man Heike wirklich nicht bezeichnen. Sie maß einen Meter sechsundsiebzig. Unter Berücksichtigung des Abstands zwischen Wannenboden und Fußboden hätte der Täter mindestens eins neunzig groß sein müssen.
Abschürfungen an Schultern, Gesäß und den Rückseiten der Oberschenkel, die tags zuvor wegen der Leichenflecken in diesen Bereichen nicht aufgefallen waren, sprachen dafür, dass Heike nicht unter der Dusche angegriffen, sondern erst später über den Wannenrand gehievt worden war. Und wenn man davon ausging, dass sie anderswo angegriffen worden war, zum Beispiel in einem Sessel, musste der Täter kein Riese sein.
Ein mittelgroßer, untersetzter, kräftiger Mann, der feste zuzupacken konnte. Ein Mann, der zu Beginn des Monats gebettelt und einen Urlaub offeriert hatte. Der sich womöglich darauf gefreut hatte, Vater zu werden und die Frau, die er haben wollte, damit an sich zu binden. Und durch die Rechnung hatte Heike ihm einen Strich gemacht. Die erst kürzlich vorgenommene Abtreibung blieb bei der Obduktion natürlich nicht verborgen.
Dass der Erkennungsdienst nur in der Wanne mit Hilfe einer Chemikalie noch Blutspuren hatte sichtbar machen können, bewies überhaupt nichts. Bisher war nirgendwo sonst in der Wohnung Luminol zum Einsatz gekommen, weil man mit bloßem Augen nichts gesehen und nichts auf einen anderen Tatort als das Bad hingedeutet hatte.
Dina Brelach forderte noch einmal den Erkennungsdienst an. Ein Mann reichte, Hauptsache, er verstand etwas von unsichtbaren Blutspuren. Diesmal war sie mit von der Partie und tat, wozu die donnerstags nicht gekommen waren. Während im Wohnzimmer Luminol versprüht wurde, vergewisserte sie sich, dass Heike auch in letzter Zeit noch Schlafanzüge getragen hatte. Im Kleiderschrank lagen fünf Stück, allesamt schon häufig gewaschen und ordentlich zusammengelegt auf einem Regalboden.
Dann wurde abgedunkelt. Doch im Wohnzimmer fand sich keine Spur von
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