Die Schuldlosen (German Edition)
ihm ein paar Fragen stellen können. Vielleicht hat er nur mal einen Kaffee im Büdchen getrunken und kannte Heike daher. Was glaubst du, wie viele sie von der S-Bahn-Station kannten? Ein paar hundert bestimmt. Und jeder von denen könnte etwas wissen, was für die Polizei wichtig ist. Aber das ist den meisten gar nicht bewusst, und andere melden sich einfach nicht, weil sie nichts mit der Polizei zu tun haben wollen.»
Dem stimmte Franziska zwar zu, fand jedoch, um der Polizei einen Namen zu nennen, müssten sie nicht zu zweit auf der Wache erscheinen. «Mach das mal alleine. Du kannst mir ja nachher erzählen, was sie gesagt haben.»
«Ich muss anschließend sowieso zu euch kommen», erklärte Silvie. «Ich hab auch keinen Hausschlüssel.»
Kurz darauf stieg sie vor dem Krankenhaus in ein Taxi und winkte ihrer Großmutter, die zur Bushaltestelle gegenüber ging, noch einmal zu. «Ich muss nach Garsdorf, in die Breitegasse. Das ist am Ortsrand», sagte sie zum Fahrer.
Inzwischen kamen die Gedanken glasklar und einer nach dem anderen. Wenn sie tat, was sie ihrer Großmutter angekündigt hatte, kam sie zwar zur Wache und anschließend zum Haus ihrer Großeltern. Aber damit hätte es sich. Sie musste Lothar bald anrufen, damit er nicht noch einen Abstecher zum Krankenhaus machte, nur um festzustellen, dass sie sich selbst vorzeitig entlassen hatte. Übers Wochenende würde er sie nicht aus den Augen und ganz bestimmt nicht zu Alex lassen. Sie hoffte nur, dass zwanzig Euro bis zur Villa Schopf reichten und dass Alex zu Hause war.
Nach der neuerlichen Beweisaufnahme in der Hochhauswohnung wollte Dina Brelach der Wache noch einen Besuch abstatten und sich erkundigen, ob sich weitere Zeugen des Vorfalls vom Dienstagnachmittag gemeldet oder ob man etwas vom biederen Handwerker gehört hatte.
Hätte ja sein können, dass der Mann wider Erwarten ein reines Gewissen hatte. Und ein Mann mit reinem Gewissen meldete sich für gewöhnlich bei der örtlichen Polizei, wenn seine Freundin oder Geliebte tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden war. Ein Mann mit einem reinen Gewissen wollte doch erfahren, woran oder auf welche Weise die Frau gestorben war.
Auf dem Parkplatz bei der Wache traf sie mit Bernd Leunen zusammen, dessen Schicht schon vor einer Dreiviertelstunde zu Ende gewesen war. Aber bei einem gewaltsamen Todesfall regte sich keiner über ein paar Minuten auf. Jeder von ihnen hatte sich in Heikes Kaffeebüdchen schon mit belegten Brötchen und Kaffee versorgt oder sich von Kollegen etwas mitbringen lassen.
Dina Brelach sparte sich den Weg ins Gebäude und ließ sich an der frischen Luft ins Bild setzen.
«Am Vormittag hat ein Mann angerufen, der bei der Schlägerei am Dienstag mitgemischt hat», gab Bernd Leunen Auskunft. «Er will heute noch herkommen. Vielleicht hat der Handwerker sich bei der Familie in Garsdorf gemeldet. Und von denen ist keiner auf die Idee gekommen, uns zu informieren. Ich könnte auf dem Heimweg kurz nachfragen.»
«Das mache ich schon», lehnte Dina Brelach sein Angebot ab. «Den Weg kenne ich ja jetzt, und mit der Familie muss ich ohnehin noch mal reden. Ich bin gespannt, wie die ahnungslose Schwägerin sich zum Obduktionsergebnis äußert.»
Bernd Leunen war ebenso gespannt, und nicht nur er. Auch zwei Kollegen, die in Hörweite gerade in einen Streifenwagen steigen wollten, verharrten und spitzten die Ohren, als Dina Brelach ins Detail ging. «Massives Schädelhirntrauma und eine Abtreibung, die höchstens drei Wochen zurücklag.»
«Zwei Wochen», schätzte einer der beiden beim Streifenwagen und kam näher. «Vor zwei Wochen stand freitags eine Vertretung im Kaffeebüdchen, die war auch montags noch da. Heike gönne sich ein verlängertes Wochenende in Holland, hieß es.»
Dina Brelach bedankte sich, stieg wieder in ihren Dienstwagen und fuhr vom Platz. Bernd Leunens Kollegen folgten im Streifenwagen, bogen aber nach fünfzig Metern in eine Seitenstraße ab. Er zögerte und überlegte, ob er drinnen Bescheid geben sollte. Aber das würden die beiden schon tun, wenn sie von ihrem Einsatz zurückkamen. Und er hatte seiner Frau versprochen, heute mal etwas pünktlicher zu sein, weil sie noch Einkäufe mit ihm zusammen machen wollte.
Als er die Landstraße erreichte, war von dem Dienstwagen mit Kölner Kennzeichen längst nichts mehr zu sehen. Es herrschte viel Verkehr, wie immer am Freitagnachmittag, wenn viele Garsdorfer zum Einkaufen nach Grevingen fuhren. Etwa auf Höhe des
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