Die Schuldlosen (German Edition)
Sprache, dann begann sie zu lachen, so hysterisch, dass es ihm in den Ohren wehtat. Dabei tippte sie sich auch noch an die Stirn. «Für mich? Sag mal, tickst du noch richtig? Mir hätte es vollkommen gereicht, wenn du nicht mit Heike ins Bett gestiegen wärst.»
«Schrei nicht so», verlangte er. «Du weckst den Kleinen auf.»
Das kümmerte sie nicht. Sie schrie weiter: «Soll ich das etwa als Liebesbeweis werten, dass du Heike umgebracht hast? Das hast du, gib es zu, ich will es hören.»
«Nicht nur Heike», sagte er. «Auch Janice. Heike meinte, du würdest mich dafür nur noch mehr lieben.»
Wieder war sie sekundenlang still, schüttelte ungläubig und verstört den Kopf, ehe sie fragte: «Du hast Janice … Und Heike wusste das?»
«Nicht von Anfang an», sagte er. «In den ganzen Jahren hatte sie nicht mal einen Verdacht. Misstrauisch ist sie erst geworden, nachdem du bei ihr gewesen warst. Und als Alex an dem Dienstag vom Glauben seiner Anwältin anfing …» Er brach ab und zuckte mit den Achseln.
«Und was war mit dem lockeren Reifen?», fragte sie. «Das war vorher. Da war sie doch wohl noch nicht misstrauisch, und Alex schwört, dass er sich nicht an ihrem Auto vergriffen und auch nicht einen Strauß Rosen geköpft hat.»
Er hatte nicht vor, ihr seine Beweggründe zu erklären. Heike hatte gesagt, dass die Abtreibung wegen der Komplikationen teurer als erwartet geworden wäre und dass sie sich über einen kleinen Zuschuss freuen würde. Daraufhin hatte er den Reifen an ihrem Honda gelockert, in der Hoffnung, sie loszuwerden, bevor sie energischer darauf bestehen konnte, dass er sich an den Kosten der Pannenbeseitigung beteiligte. Der Versuch war zwar kläglich gescheitert, hatte aber auch von ihm abgelenkt.
Die Sache mit den Rosen … Im Nachhinein kam ihm diese Aktion absurd vor, geradezu hirnrissig, weil Heike danach die Kette vorlegte und er sich somit selbst ausgetrickst hatte. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sie an dem Abend noch spät unterwegs war, wo sie doch immer um neun ins Bett ging.
Er hatte eine Weile gewartet – splitterfasernackt hinter dem Duschvorhang in ihrer Badewanne. Um Viertel nach neun war er zu der Ansicht gelangt, dass sie anderswo übernachtete, hatte sich wieder angezogen, aus Frust die Blumen geköpft und zu einem Herz arrangiert. Auf den Gedanken, dass Heike sich selbst dunkelrote Rosen gekauft hatte, war er nicht gekommen. Ihm kam auch jetzt nicht in den Sinn, da könne bei ihm so etwas wie Eifersucht im Spiel gewesen sein.
Als er nicht antwortete, fragte Silvie: «Was siehst du eigentlich in mir? Ein wildes Tier, dem du eine Beute hinlegen musst, damit es sich besteigen lässt? Du bist echt nicht mehr ganz dicht, weißt du das?»
Dann begann sie erneut, zu zetern und ihn zu beleidigen. Erst als er beide Hände um ihren Hals legte und zudrückte, wurde sie still und schaute ihn an, als hätte sie es gar nicht anders erwartet.
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Epilog
Grevingen-Garsdorf, im Februar 2011
Es war eigentlich viel zu kalt für einen Friedhofsbesuch, auch zu beschwerlich. In den letzten Tagen war noch mal eine Menge Schnee heruntergekommen, zusätzlich zu den Massen, die im Dezember für Chaos gesorgt hatten und längst noch nicht weggetaut waren. Am Straßenrand und auf dem Gehweg türmten sich die gefrorenen Haufen und Klumpen. Mit dem Buggy war kaum ein Durchkommen. Aber mit Prinz Knatschsack an der Hand wäre es noch schwieriger, wenn nicht unmöglich gewesen.
Den halben Vormittag hatte Silvies Söhnchen diesem Namen wieder alle Ehre gemacht. Inzwischen lief er recht sicher an einer Hand oder die Möbel entlang. Man musste ihn ständig im Blick behalten.
Franziska hatte nicht die Zeit gehabt, ihn zu beschäftigen. Sie musste für Lothars Mutter zur Bäckerei. Frau Steffens traute sich nicht mehr dorthin, wollte ihr Haus verkaufen, wenn sich nur endlich jemand gefunden hätte, der bereit war, den verlangten Preis zu zahlen. Anschließend hatte Franziska kochen müssen.
Gottfried hatte geraume Zeit Türme aus Bauklötzen gebaut, die der Knirps dann durch die Gegend feuerte, dass man Angst um Blumenvasen und andere zerbrechliche Gegenstände haben musste, die noch nicht weggeräumt worden waren. Aber irgendwann war es ihm wohl zu eintönig geworden, Godzilla zu spielen. Vielleicht war er müde oder hatte sich daran erinnert, wie oft seine Mama so mit ihm auf dem Boden gehockt hatte. Da hatte er zu greinen angefangen, wollte auf den Arm und
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