Die Schuldlosen (German Edition)
schnell etwas aus der Villa Schopf holen wollen. Waschpulver. Franziska meinte, er hätte mal erzählt, dass in Silvies Waschküche ein Berg von bekleckerten Kindersachen gelegen und sie in ihrer Enttäuschung über Lothars Affäre nicht daran gedacht hätte, neues Waschpulver zu besorgen. Es konnte aber auch sein, dass er Geschirrspülmittel geholt hatte, weil Silvies Maschine proppenvoll war und über Nacht laufen sollte, damit man am nächsten Morgen saubere Teller und Tassen fürs Frühstück hatte.
Aber ob Wäsche oder Geschirr, war ja nicht so wichtig. Was zählte, war, dass Alex einen Hausschlüssel mitgenommen hatte, damit Silvie schon mal rauf ins Bad gehen und sich für die Nacht fertig machen konnte. Ohne diesen Schlüssel hätte Lothar sie wahrscheinlich erwürgt.
Alex hatte ihn von Silvie weggerissen und sich erst mal um sie gekümmert, weil sie kaum Luft bekam. Dann hatte er einen Rettungswagen gerufen. In der Zeit war Lothar abgehauen. War zu seiner Mutter gefahren, als wäre überhaupt nichts gewesen. Frau Steffens hatte bestimmt schon hundertmal erzählt, wie er noch kurz zu ihr ins Wohnzimmer gekommen war, wo sie vor dem Fernseher saß. Wie er gelächelt und behauptet hatte, er hätte sich mit Silvie ausgesprochen, es sei alles in Ordnung.
Und während seine Mutter sich gefreut hatte, war Lothar hinauf in sein Zimmer gegangen. Als kurz darauf Polizei kam, hatte er auf dem Bett gelegen, mit einem hastig bekritzelten Blatt Papier in einer Hand und einer Plastiktüte über dem Kopf, unter der er jämmerlich erstickt war.
Auf dem Blatt hatte er Silvie und seinen Kindern alles Gute für die Zukunft gewünscht und sie gebeten, sich kein Beispiel an Heike zu nehmen, nicht nach Holland zu fahren, das Baby könne schließlich nichts dafür.
Er hatte auch erklärt, wie die Sache mit Janice passiert war und wie das mit Heike gewesen sein sollte. Dass sie an dem Dienstagabend, als er bis kurz vor neun bei ihr gesessen hatte, noch nicht sicher gewesen war, wann sie mit Alex reden wollte. Aber dass sie mit ihm reden würde, war klar gewesen. Dass er sie dann am Mittwoch aus dem Bett klingeln musste, weil ihm die Ersatzschlüssel, die er aus dem Schubfach mit Büromaterial genommen hatte, bei vorgelegter Sperrkette nichts nutzten.
Unter dem Vorwand, alles irgendwie wiedergutzumachen, hatte er Heike dazu gebracht, ihn in die Wohnung zu lassen. Der Rest hatte sich ungefähr so abgespielt, wie die Polizei sich das vorstellte. Zwei Schläge mit dem Hammer, das Oberteil vom Schlafanzug hochgezerrt und um ihren Kopf gewickelt, damit sie nicht zu viel einsaute. Sie ins Bad geschleift, in die Wanne gehievt, ausgezogen und so weiter.
Gottfried wusste nichts von den Kerzen, die Franziska seitdem am Marienaltar angezündet hatte. Auch jetzt schob sie den Buggy durch die Seitentür ins Kirchenschiff. Und diesmal nahm sie zwei Kerzen aus dem Kasten, noch ein Dankeschön für Silvies Leben, und die zweite, damit heute alles gutging.
Gestern Nachmittag hatte Alex sie ins Krankenhaus gebracht. Nach dem Notkaiserschnitt vor zwanzig Monaten hatte ihre Ärztin dringend von einer natürlichen Geburt abgeraten. Dabei hätte die Gebärmutter reißen können. Deshalb sollte das kleine Mädchen heute per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Nur eine Woche vor dem errechneten Termin. Ein Wunder war das. Gottfried sagte das auch: «Hätte ich nicht gedacht, nach allem, was Silvie durchgemacht hat.»
Es war alles andere als leicht für Silvie gewesen. Im November hatte sie eine volle Woche im Krankenhaus gelegen, mit einem Schock. Danach immer mal wieder ein paar Tage, weil sie häufig Weinkrämpfe bekam. Lothars Mutter hatte ihr von dem Lied erzählt, das er in den letzten Tagen so oft gehört und mitgesungen hatte. «… ich zeig dir, wie groß meine Liebe ist, und bringe mich für dich um.»
Seine Mutter war überzeugt, dass er es für Silvie getan hatte. Sie freigegeben, ihr und seinen Kindern die Chance auf einen neuen Anfang eingeräumt. Martha behauptete, der Selbstmord sei eine feige Flucht vor der Verantwortung und den Konsequenzen gewesen. Franziska wusste nicht, was sie glauben sollte, hoffte nur, dass es mit Alex jetzt besser funktionierte als vor Jahren. Er war ja reifer geworden und vernünftig, das musste man zugeben.
Kurz vor Weihnachten war Silvie bei ihm eingezogen. Für das Haus im Margarineviertel hatte sich schnell ein Käufer gefunden. Ab Juni wollte Silvie wieder arbeiten.
Franziska warf noch zwei
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