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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Meist liege ich dann mit dem Kopf zwischen den Tassen. Ein Wunder, dass ich noch keine runtergeworfen habe. Die Zuckerdose verrät mich immer. Außer Ria hat bei uns keiner den Kaffee mit Zucker getrunken.»
    «Das klingt, als würdest du schlafwandeln», meinte Helene.
    Franziska nickte zustimmend. «Wenn ich wenigstens das Kind in seinem Bettchen ließe», fuhr sie fort. «Aber wenn Gottfried mich weckt, bin ich nie allein in der Küche. Manchmal schläft Silvie auf meinem Schoß, manchmal liegt sie schlafend auf einer Decke neben dem Tisch am Boden. Und ich weiß, dass ich sie heruntergeholt habe, weil Ria sie mitnehmen will.»
    «Und wie fühlst du dich dabei?», wollte Helene wissen.
    «Ich habe Angst», gestand Franziska. «Aber nicht davor, Silvie wieder hergeben zu müssen. Nur vor dem, was passieren könnte. Stell dir vor, das Kind rutscht mir vom Schoß, während ich schlafe. Sie könnte mit dem Köpfchen auf den harten Steinboden schlagen. Vielleicht sollte ich mich mal gründlich untersuchen lassen. Gottfried drängt darauf, dass ich mit einem Arzt darüber spreche. Wir wissen nur nicht, mit welchem.»
    «Bist du deshalb zu mir gekommen?», fragte Helene. «Weil du glaubst, ich könnte dir einen guten Psychiater empfehlen?» Sie schüttelte lächelnd den Kopf und sprach weiter: «Du brauchst keinen, Franziska. Wenn du wirklich so lebhaft träumst, dass es dich aus dem Bett treibt, kämpft da wohl nur die Bequemlichkeit des Alters mit der Liebe zu einem Kind, das dich braucht. Dich, Franziska, und deinen Gottfried, nicht eure Ria und den Soldatenvater. Du weißt genau, was du bei Ria falsch gemacht hast. Wenn du dieselben Fehler nicht wiederholst, muss Gottfried nicht mit siebzig noch einmal Diskotheken abklappern.»
    Ehe Franziska darauf etwas erwidern konnte, rief Helene ihrem Sohn zu: «Alexa geh hinein und bitte Frau Schmitz, uns Kaffee und etwas Gebäck zu bringen.»
    Mit den nächsten Worten wandte sie sich wieder an Franziska: «Du bleibst doch auf einen Kaffee?»
    Als Franziska nickte, erweiterte Helene ihren Auftrag um einen bequemen Sessel und einen Tisch. Der Junge trabte gehorsam zur Terrasse. Silvie schaute ihm enttäuscht nach und widmete sich dann der Susi.
    «Weißt du auch, was du falsch machst?», begann Franziska. «Er ist ein Junge, Helene. Du darfst ihn nicht länger wie ein Mädchen herumlaufen lassen. Du musst ihn ja nicht zum Raufbold erziehen, aber lass ihn Hosen tragen und keine Kleider. Er hat sich in der Schule geprügelt, weil man ihn wegen dieser Haarspangen ausgelacht hat.»
    «Ich weiß», sagte Helene.
    Ihre scheinbar unerschütterliche Ruhe brachte Franziska auf die Palme. «Was weißt du?», fuhr sie Helene an. «Dass er für deine Verrücktheit auf andere Jungs eindrischt? Oder dass du ihn endlich wie einen Jungen behandeln und kleiden musst? Wenn du unbedingt ein Mädchen aus ihm machen willst, solltest du ihn kastrieren lassen.»
    «Du solltest jetzt doch besser gehen», sagte Helene kühl und nahm ihr Buch wieder vom Rasen.
    Franziska nickte noch einmal, sie war übers Ziel hinausgeschossen, das war ihr klar, tat ihr allerdings nicht leid. Sie nahm Silvie die Puppe ab, setzte das lautstark protestierende Kind in den Buggy und schob diesen zur Straße, gerade als Alexander zurück in den Garten kam.
    Sein hübsches Gesicht verzog sich vor Enttäuschung. «Warum geht ihr denn schon?», wollte er wissen.
    «Silvie ist müde», behauptete Franziska.

    Mit Gottfried sprach sie nicht über ihren Versuch, der so kläglich gescheitert war. Gottfried fand ohnehin, man solle sich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute einmischen, solange man vor der eigenen Tür genug zu kehren habe. Und im Grunde hatte er recht. Helene hatte mit den Fehlern, die bei Ria gemacht worden waren, einiges aufgewühlt. Wie durfte eine Frau, die ihr erstes Kind verloren und daraufhin das zweite ignoriert hatte, sich anmaßen, den Stab über eine andere zu brechen, die denselben Verlust auf ihre Weise ausglich? Franziska beschloss, fortan nur noch vor der eigenen Tür zu kehren, sich um Silvie zu kümmern und den Jungen, der daheim ein Mädchen sein musste, aus ihren Gedanken zu streichen. Doch so einfach war das nicht.
    Frau Steffens wusste mindestens zweimal die Woche neue Horrorgeschichten zu berichten. Darüber hinaus hatte Franziska auch noch ihre jüngste Schwester in der Bäckerei Jentsch, wo der gesamte Dorfklatsch zusammengetragen wurde.
    Es dauerte gar nicht lange, da hatte Alex sich zu

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