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Die Schuldlosen (German Edition)

Die Schuldlosen (German Edition)

Titel: Die Schuldlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Krankenhaus?», wollte Saskia wissen. «Kriegt David jetzt doch ein Schwesterchen aus der Retorte? Silvie wollte doch die Dicke-Bauch-Methode probieren. Das hat sie mir erzählt. Das kostet auch nicht so viel wie ein Retortenkind.»
    «Da siehst du es», meinte er. «Du kannst dich nicht auf das verlassen, was eine Frau dir erzählt. Heute wollen sie dies, morgen das und übermorgen ganz etwas anderes.» Bei den letzten Worten warf er einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett und kam auf sein Angebot zurück: «Soll ich dich nicht doch schnell zur Schule fahren? Dann können wir uns noch ein bisschen unterhalten. Wenn du laufen willst, musst du dich jetzt beeilen.»
    Das gab den Ausschlag. Er hatte sie lange genug aufgehalten, um die Zeit für den Schulweg knapp werden zu lassen. Schnell laufen konnte Saskia nicht, zu spät zur ersten Unterrichtsstunde kommen wollte sie nicht. Abgesehen davon hätte sie nun zu gerne erfahren, wo das Schwesterchen für David herkommen sollte, wer der Mann in dem Kombi tatsächlich war und woher er Silvie und Lothar Steffens kannte.
    Ob er vielleicht zufällig in der Samenbank gewesen war, als die beiden sich dort nach Davids Spender erkundigt hatten? Wäre doch möglich gewesen, dass er genau an dem Tag noch ein Röhrchen hatte abgeben wollen. Und wenn er bei der Gelegenheit erfahren hatte, dass es in Garsdorf schon ein älteres Retortenkind gab, das bei Familie Jentsch lebte und Saskia hieß …
    Wohl war ihr nicht in ihrer Haut, als sie es sich neben dem Kindersitz im Wagenfond einigermaßen bequem machte, was mit dem Ranzen auf dem Rücken gar nicht so einfach war. Als er den Motor anließ, signalisierte ihr dumpf pochender Herzschlag noch einmal drastisch, dass sie sich über ein striktes Verbot hinweggesetzt hatte. Sie nahm den Tammi-Bären in den Schoß und versuchte, mit seiner Unterstützung das Unbehagen zu unterdrücken.

    Zu dem Zeitpunkt ebbte der Kundenstrom in Heikes Kaffeebüdchen wie immer stark ab. Die meisten Berufspendler waren durch. Heike Jentsch hätte mal durchatmen, selbst ein Brötchen essen und einen Kaffee trinken können, doch dafür war sie viel zu angespannt. Ohne Kundschaft vor der Theke fühlte sie sich hinter der verglasten Vorderfront plötzlich wie auf einem Präsentierteller.
    Normalerweise ging sie um die Zeit immer zur Toilette, und dafür hatte sie noch nie die Eingangstür abgeschlossen. Das tat sie auch jetzt nicht, als der Drang übermächtig wurde. Aber als sie dann jemand hereinkommen hörte, obwohl in der nächsten Viertelstunde keine Bahn fuhr, zuckte sie wie unter einem Faustschlag zusammen und zog automatisch den Kopf ein.
    Zum wiederholten Mal fragte sie sich, warum Alex nicht längst bei ihr aufgetaucht war, wo er doch laut Lothar schon letzten Donnerstag entlassen worden sein sollte. Und so hatte sie sich das in den vergangenen Jahren immer vorgestellt, dass Alex randvoll mit Wut und Rachegelüsten geradewegs aufs Ziel losstürmte.
    Er war nie der Typ gewesen, der vorher gründlich nachgedacht, sich Konsequenzen ausgemalt und danach erst einmal nach einer für ihn risikoarmen Möglichkeit gesucht hätte. Dass ihn die Haft in dieser Hinsicht verändert haben könnte, zog Heike erst in Betracht, als sie sich endlich zurück in den Verkaufsraum traute und dort nur zwei ungeduldig wartende junge Mädchen vor der Theke stehen sah.
    Wer wusste denn, was für Lehrmeister Alex im Knast gehabt und was er von denen alles gelernt hatte? Seine Zurückhaltung musste Taktik sein. Je länger man die Leute schmoren ließ, umso nervöser oder ängstlicher wurden sie doch. Wahrscheinlich kam er kurz vor oder nach vier hereinspaziert, ehe sie schließen konnte, bezog Stellung an einem der beiden Stehtische und gab ihr grinsend zu verstehen: Jetzt probier mal, ob du an mir vorbeikommst.

    Vom Friedhofstor an der Pützerstraße bis zur Grundschule am Jumperzweg brauchte man mit einem Auto nur zwei Minuten. Aber zur Schule fahren wollte Alex gar nicht. Kaum war Saskia eingestiegen, änderte sich sein Verhalten. Die lässige Unbeschwertheit, mit der er das Kind angesprochen hatte, war mit einem Schlag wie weggewischt.
    Zuerst war er vollauf damit beschäftigt, den Kombi unbeschadet zurück auf die Straße zu bringen. Er war aus der Übung, hatte noch nie so eine Familienkutsche gefahren und sich – weil er dort nicht auffallen wollte – auf dem Parkplatz an der S-Bahn-Station nicht die Zeit genommen, sich mit dem Wagen vertraut zu machen. Aber wo man

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