Die Schuldlosen (German Edition)
als kein Bremsen mehr half, jedenfalls nicht bei dem Tempo.
Richard Parlow auf dem Beifahrersitz wurde geköpft. Alex kam mit ein paar Kratzern im Gesicht, zwei geprellten Rippen, einem verstauchten Fuß und einem Schock davon, weil im Moment des Aufpralls die Rückenlehne des Fahrersitzes nach hinten wegbrach und er liegend unter den Anhänger geriet. So musste er – über und über mit Parlows Blut besudelt – neben der kopflosen Leiche ausharren, bis die Feuerwehr ihn endlich aus dem Wrack befreit hatte.
Seine Familie beauftragte umgehend einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Dieser Anwalt wiederum beauftragte einen Sachverständigen, was auch die Staatsanwaltschaft bereits getan hatte. Und beide Sachverständigen kamen übereinstimmend zu dem Urteil, der BMW müsse schon vorher einen Unfall gehabt haben, bei dem nicht nur der Fahrersitz beschädigt worden sei.
Es seien erhebliche Mängel festgestellt worden, hieß es kurz darauf. Von einer verzogenen Vorderachse und einer defekten Bremsleitung war die Rede. Einige Karosserieteile waren angeblich ersetzt, andere ausgebeult und gespachtelt und dann alles neu lackiert worden.
Demnach hätte Richard Parlow versucht, einen ahnungslosen Fahranfänger über den Tisch zu ziehen und zum Kauf eines Wagens zu verleiten, den der TÜV sofort aus dem Verkehr gezogen hätte, wäre der BMW vor dem verheerenden Unfall dort vorgestellt worden.
Den allerbesten Ruf als Gebrauchtwagenhändler hatte Richard Parlow nicht gehabt. Wegen der zweifelsfrei zusammengeflickten Karosserie zog auch niemand in Betracht, dass er nichts von den Mängeln gewusst hatte. Es war anzunehmen, dass er beim Ankauf des optisch fast wie neu aussehenden Fahrzeugs zumindest hier und da mal gegen das Blech geklopft hatte. Und da hätten ihm die ausgebesserten Stellen sofort auffallen müssen.
Herbst 2010
Sehr viel anders als Richard Parlow damals verhielt Kurt Wellinger sich nicht. In Erwartung eines lukrativen Auftrags gab er sich ausgesprochen zuvorkommend. Selbstverständlich sah er sich und die zum Autohaus gehörende Werkstatt in der Lage, einen alten Mercedes wieder fahrtüchtig zu machen. Möglicherweise wäre das nicht mal sehr aufwendig, meinte er. Der Wagen sei ja nicht beschädigt oder defekt, er hätte nur lange gestanden. Eine neue Batterie, die brauche er garantiert. Eine gründliche Inspektion, einen Ölwechsel, die eine oder andere neue Dichtung, den Rest müsse man sehen.
«Was darf der Spaß denn kosten, Herr Junggeburt?»
Alex zuckte mit den Achseln und stellte seinem Gegenüber quasi einen Blankoscheck aus. «Geld ist kein Problem.»
Kurt Wellinger rieb sich im Geist die Hände und veranlasste, dass sofort ein Abschleppwagen zur Villa Schopf geschickt wurde.
Alex trat noch einmal in Lothars Passat den Heimweg an. Als der Abschleppwagen vorfuhr, lag der Zündschlüssel aus dem Schreibtisch im Arbeitszimmer schon bereit. Den Kfz-Schein steckte er ein, um damit eine Versicherungsagentur aufzusuchen. Den Zweitschlüssel und den Kfz-Brief vermutete er in dem Tresor, in dem schon sein Großvater Wichtiges und Wertvolles verschlossen hatte.
Dieser Stahlschrank stand ebenfalls im Arbeitszimmer. Leider war bei den Schlüsseln, die seine Schwägerin ihm am Donnerstag ausgehändigt hatte, keiner, der zum Tresor gehörte. Eine Zahlenkombination brauchte man für das alte Ungetüm nicht.
Er überlegte, ob er nach Abschluss einer neuen Versicherung für den Mercedes noch einmal im Haus seines Bruders vorsprechen und nach dem Tresorschlüssel fragen sollte. Aber es hätte Fragen wegen des Passats geben können. Lothars feindseliges Verhalten im Hinterkopf, ging er diesbezüglich lieber kein unnötiges Risiko ein. Und wenn Cecilia nicht da war oder nichts wusste – mit einem Anruf in der Brauerei ließ sich das schneller erledigen.
So schnell, wie er sich das dachte, ging es dann doch nicht. Zuerst musste er einer Sekretärin erklären, wer er war und was er wollte. Dann hing er geschlagene fünf Minuten in einer Warteschleife und hörte sich einen Song der Bläck Fööss an. «Drenk doch ene met.» Wirklich passend für eine Brauerei.
Als sein Bruder sich endlich meldete, hatte er schon begonnen mitzusingen, was Albert hörbar irritierte. «Hallo? Wer ist da?»
«Alex», sagte er knapp, weil er nicht davon ausging, dass sein Bruder ihn bei einem «Ich bin’s» an der Stimme erkannte. «Cecilia hat leider vergessen, mir den Tresorschlüssel zu geben.»
«Nein»,
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