Die Schuldlosen (German Edition)
Mann», sagte Helene. «Und so wie ich mich fühle, könnt ihr einziehen, ehe die Schwangerschaft für Heike beschwerlich wird. Du brauchst dich nicht mit einer Viertelmillion abfinden zu lassen, um eine Etagenwohnung zu kaufen. Versprich mir, dass du das nicht tun wirst. Ich will, dass du finanziell abgesichert bist, auch noch in zwanzig oder dreißig Jahren. Wer weiß, was dann ist.»
Sie gab nicht eher Ruhe, bis er ihr in die Hand versprochen und noch beim Leben seiner Tochter geschworen hatte, seinen Bruder nicht mit Heikes Ansinnen zu behelligen. Natürlich würde Albert auf der Stelle einwilligen. Albert war durch und durch Geschäftsmann mit einer Rechenmaschine in der Brust anstelle eines Herzens. «Und irgendwann», meinte Helene mit der Klarsicht einer Sterbenden, «sitzt du dann mit einem Hut am Straßenrand und kannst nicht mal musizieren.»
Kurz vor acht Uhr verließ Alex sein Elternhaus, fuhr jedoch nicht sofort zurück nach Grevingen. Ehe er sich mit Heike auseinandersetzte, wollte er Lothar die frohe Botschaft der zweiten Schwangerschaft überbringen und Argumente sammeln, sich von seinem Freund bestätigen lassen, dass eine große alte Villa in Garsdorf für eine Familie mit zwei Kindern entschieden besser war als eine Eigentumswohnung in Grevingen.
Lothar stimmte voll und ganz mit ihm überein und gewann den Eindruck, als fürchte Alex sich vor Heikes Reaktion, wenn er ihr erklärte, dass sie sich die Eigentumswohnung aus dem Kopf schlagen solle.
Dass Alex es damit absolut nicht eilig hatte, kam Lothar gerade recht. Seine Eltern waren über Ostern verreist. Silvie hatte unerwartet für eine erkrankte Kollegin einspringen müssen und schob Nachtdienst im Seniorenheim. Seine Mutter hatte ihm ein paar Tiefkühlgerichte besorgt, damit er sich alleine verpflegen konnte.
Nur hatte Lothar keinen Appetit auf Mikrowellenfraß, wie er das nannte. Er hatte bereits mit dem Gedanken an einen opulenten Burger mit Pommes und etwas zeitgemäßer Unterhaltung in der Gaststätte «Zur Linde» gespielt. Dort fand sich samstags immer noch die nicht motorisierte Dorfjugend ein – und alle, die nach Begleitung für eine Tour durch Kölner Diskotheken suchten. Aber man bekam in der Linde auch passable Burger und Schnitzel mit Bergen von Pommes.
Ältere Semester schätzten das reichliche und preiswerte Essen. Für die Jüngeren gab es in Ermangelung anderer mühelos erreichbarer Amüsierschuppen heiße Musik aus sechs unter der Decke verteilten Boxen. Erst moderat, während noch gegessen wurde, zu fortgeschrittener Stunde derart laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Aber nach halb elf wollte auch keiner mehr reden. Dann hatten die Älteren längst – satt bis zur Halskrause – den Heimweg angetreten. Und die Jugend tobte sich aus.
Und sollte Silvie erfahren, dass Lothar sich alleine unter diese Jugend gemischt hatte, hätte er sich auf einen saftigen Krach gefasst machen können. Sie neigte zu Eifersüchteleien. Er hätte ihr besser nicht so freimütig erzählt, dass er früher alle Schnecken aufgesammelt hatte, die Alex fallenließ.
Alex hatte auch noch nicht zu Abend gegessen und nichts dagegen, Lothar zu begleiten. Er rief Heike an, damit sie sich keine Sorgen machte, weil er so lange wegblieb. Um einer Auseinandersetzung vorzubeugen, behauptete er, er sei noch daheim, wolle auch noch ein Weilchen bleiben, seiner Mutter gehe es unverändert schlecht.
Natürlich wollte Heike wissen, wie sein Bruder den Vorschlag aufgenommen hatte.
«Mit Albert habe ich noch nicht gesprochen», gestand Alex. «Muss ich auch nicht. Wir brauchen keine Wohnung zu kaufen …» Plötzlich wollte er es so schnell wie möglich hinter sich bringen, berichtete vom Gespräch mit seiner Mutter und dem Versprechen, das sie ihm abgenommen hatte.
«Da ist aber das letzte Wort noch nicht gesprochen», schimpfte Heike sofort los. «Wenn du dir einbildest, ich ziehe in diese Bruchbude und hause mit deinem Vater unter einem Dach, bist du schief gewickelt.»
«Das ist doch keine Bruchbude», protestierte Alex. «Es ist zwar ein altes Haus. Aber es wurde immer gut in Schuss gehalten. Wir können mit der Zeit eine neue Küche und eine moderne Heizung einbauen lassen. Für den Anfang wäre nicht viel zu machen. Wir richten uns zwei oder drei Schlafzimmer her, das wird nicht teuer. Wände streichen oder tapezieren kann ich bestimmt selber.»
«Sicher.» Heike hörte nicht auf zu meckern. «Wenn du willst, kannst du alles,
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