Die Schuldlosen (German Edition)
Abend», schwächte Lothar ab. «Nur wenn er Lust hatte. Sicher habe ich das gewusst. Er hat mir immer erzählt, wenn er noch mit ihr in der Laube gewesen war.»
«Und warum hast du mir nichts davon gesagt?»
«Hättest du mir geglaubt?», fragte Lothar. «Oder hättest du gedacht, ich will euch auseinanderbringen, weil ich dich liebe?»
«Ich weiß es nicht», murmelte Silvie.
«Du liebst ihn immer noch», stellte Lothar fest.
«Nein», widersprach sie rasch und nicht ganz den Tatsachen entsprechend. «Ich frage mich nur, was er bei solchen Frauen findet.»
«Ich kann dir nur sagen, was er bei Heike findet», erklärte Lothar. «Von ihr bekommt er alles, was er bei den anderen, auch bei dir, vergebens gesucht hat. Alex braucht eine starke Hand, und Heike ist eine Führungspersönlichkeit. Sie hat die Hosen an, sagt ihm, wo es langgeht. Faulenzen und nur zum Vergnügen in der Gegend herumfahren ist bei ihr nicht drin. Sie schmeißt ihn morgens um vier aus dem Bett, dann darf er mit seinem Audi die Brötchen holen. Anschließend darf er ihr im Stoßbetrieb zur Seite stehen. Wenn die Berufspendler durch sind, schickt sie ihn, die Wohnung aufzuräumen, bis mittags die Schüler kommen. Dann muss er ihr wieder im Büdchen zur Hand gehen.»
«Was?» Silvie war entsetzt. «Er macht ihr den Haushalt?»
«Das ist jetzt auch sein Haushalt», korrigierte Lothar. «Die Wäsche macht er ebenfalls, und zwar hervorragend, soweit ich das beurteilen kann. Binnen kürzester Zeit hat er gelernt zwischen Weichspüler und Wäschestärke zu unterscheiden. Heikes Arbeitskittel werden gestärkt und die Handtücher weich gespült.»
«Das glaube ich nicht.» Silvie war fassungslos.
«Kannst du aber», sagte Lothar. «Ich war neulich nachmittags bei ihm und habe ihm beim Bügeln zugeschaut. Heike hat ihm gezeigt, wie das geht, und schon kann er das. Mit ihr hat er wirklich die richtige Frau gefunden.»
Ja, danach sah es aus. Das musste Silvie einräumen, als Alex wieder zaghafte Annäherungen machte. Auf rein platonischer Basis, Erleichterung vom Scheitel bis zu den Fußsohlen, weil sie nun bei Lothar in festen Händen war, keine Ansprüche mehr an ihn stellte, nur gnädig nickte, als er meinte: «Wir können doch Freunde sein. Früher haben wir uns so gut verstanden. Ich fände es schade, wenn es damit vorbei wäre, nur weil ich eine Zeitlang dachte, ich wäre in dich verliebt.»
«Warst du nicht?», fragte sie.
Er schüttelte den Kopf. «Nicht wirklich. Das war etwas anderes.»
«Was denn?», fragte sie.
Er zuckte mit den Achseln. «Keine Ahnung. Ein irres Gefühl. Die halbe Zeit hat es mir tierisch Angst gemacht.»
«Verstehe ich nicht», sagte Silvie.
«Ich auch nicht», sagte er und grinste. «Aber jetzt müssen wir es doch auch nicht mehr verstehen, oder? Hauptsache, du verstehst dich gut mit Lothar. Er ist ein prima Kumpel und wird alles für dich tun, da bin ich ganz sicher.»
Das war Silvie ebenfalls. Aber was immer Lothar für sie tat, Alex tat für Heike entschieden mehr. Sie sahen sich wieder häufiger, doch es lief alles in den geregelten Bahnen, auf die Franziska so lange gehofft hatte: Silvie und Lothar. Was Heike und Alex betraf, hatte Franziska zwar keine Hoffnungen gehegt, fand jedoch, die beiden seien ein gutes Gespann. Und was die starke Hand anging, da hätte Lothar vollkommen recht.
Irgendwann sah Silvie es genauso. Alex war ein anderer geworden, seit er mit Heike zusammenlebte. Es war keine greifbare oder sichtbare Veränderung, und trotzdem war es offensichtlich. Als wäre das männliche Selbstbewusstsein, das er früher nur nach außen gestülpt hatte, endlich in seinem Innern verwurzelt. Und gelegentlich versetzte ihr das einen Stich.
Hin und wieder gingen sie am Wochenende zusammen aus, meist nur zu dritt. Heike war nur selten mit von der Partie. Obwohl sie sonntags ausschlafen konnte, ging sie auch am Samstagabend um neun ins Bett, um ihren gewohnten Rhythmus nicht durcheinanderzubringen. Einmal erzählte Alex, dass sie wochentags meist jeden Abend noch vor neun auf der Couch einschlief.
«Und wann kommst du bei ihr zum Zug?», fragte Lothar. «Oder bist du mit ihr zusammen, weil sie auf impotente Kerle steht?»
«Pass auf, was du sagst», warnte Alex ihn grinsend. «Warum glaubst du, ist sie jeden Abend vollkommen erledigt?»
Er liebte Heike auf eine Art, die Silvie nicht nachvollziehen konnte. Stand mit ihr im Kaffeebüdchen, machte die Besorgungen, führte den Haushalt ganz alleine, um
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