Die Schuldlosen (German Edition)
sogar Plüschtiere flicken und Kotze wegwischen.»
Dass er bei Saskias Leben geschworen hatte, zählte in Heikes Augen überhaupt nicht. «Das ist doch Quark. Du glaubst ja wohl nicht im Ernst, dass dem Kind etwas passiert, nur weil du mal die Hand gehoben und deiner Mutter gesagt hast, was sie hören wollte. Ich will nicht zurück in dieses Kaff, verdammt! In Grevingen hat man alles, was man braucht, Ärzte, Geschäfte, Supermärkte, Discounter. In Garsdorf gibt es nicht mal mehr einen Zahnarzt.»
«Es sind nur vier Kilometer über die Landstraße», sagte er. «Die fährst du jetzt auch jeden Morgen, wenn du die Brötchen holst. Die könntest du dann auf einem Weg mitnehmen und ein Viertelstündchen länger schlafen, weil du nicht hin und her fahren musst.»
«Ja, ja», murrte sie. «Wir reden morgen. Ich muss ins Bett, bin echt geschafft. Die Kleine hat die ganze Zeit nach dir gejammert. Jetzt schläft sie endlich.»
Saskia jammerte immer, wenn ihr Papa nicht in ihrer Nähe war. Er war nun mal ihre Bezugsperson. Heike hatte doch nie Zeit und auch nicht viel Geduld für das Kind. Wahrscheinlich hatte sie Saskia wieder mal viel zu früh hingelegt und ihr weder eine Bilderbuchgeschichte gezeigt und erzählt noch ihr etwas vorgesungen.
Nach diesem Gespräch war Alex sehr bedrückt. Von seiner Freude über die zweite Schwangerschaft war nicht viel übrig. Nun überwog die Trauer über den unmittelbar bevorstehenden Verlust seiner Mutter und die Gewissheit, dass es Heike nicht kümmerte, was er einer Sterbenden in die Hand versprochen hatte.
«Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann sie stur sein wie ein Esel», sagte er, während sie hinaus zu seinem Astra gingen. Den Audi hatte er auf Heikes Drängen verkauft, als sie mit Saskia schwanger geworden war. Da brauchte er ihrer Meinung nach ein sparsames und praktisches Auto mit Heckklappe.
Sie stiegen beide ein. Alex fuhr los. «Jede Wette, sie wird darauf bestehen, dass ich mit Albert rede, sobald Mutter unter der Erde ist», fuhr er fort. «Sie wird sagen, dass ein Versprechen, zu dem man sich nur gefühlsmäßig verpflichtet fühlte, nicht gehalten werden muss. Mutter würde ja gar nicht mehr mitbekommen, dass ich mein Wort nicht halte. Und wenn doch, bei wem soll sie sich beschweren?»
«Wenn du sogar weißt, was Heike sagen wird, musst du sie wirklich sehr gut kennen», stellte Lothar fest. «Aber zwingen kann sie dich nicht.»
«Heiraten wird sie mich dann aber auch nicht.»
«Muss ja auch nicht unbedingt sein», meinte Lothar. «Viele Paare leben mittlerweile ohne Trauschein, auch mit Kindern. Unter Umständen spart man viel Geld für Anwälte und Scheidung. Wenn Heike dich irgendwann vor die Tür setzen will, tut sie das so oder so. Aber warum sollte sie? Ihr versteht euch normalerweise gut, ergänzt euch prima. Du liegst ihr nicht auf der Tasche und machst die Arbeit, für die sie kein Händchen hat. Wenn sie dich abserviert, nur weil du einmal nicht springst, wie sie pfeift, hat sie keinen Babysitter mehr und muss ihren Haushalt wieder sonntags machen. Du sitzt am längeren Hebel, das musst du dir vor Augen halten. Heike weiß das garantiert besser als du. Was sollte sie denn ohne dich tun, demnächst mit zwei Kindern?»
«Wahrscheinlich wird sie vorschlagen, die Villa zu verkaufen», erwiderte Alex nach ein paar Sekunden.
«Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit», meinte Lothar. «Vom Erlös kannst du dir wahrscheinlich zwei Eigentumswohnungen kaufen. Allein das Grundstück, darauf kann der Käufer noch zwei Häuser setzen.»
«Und wer, glaubst du, kauft eine alte Villa, in der ein alter Mann Wohnrecht auf Lebenszeit hat?»
«Na, zwanzig oder dreißig Jahre wird Heinrich es bestimmt nicht mehr machen», sagte Lothar, hörte jedoch selbst, dass es wenig überzeugend klang. «Warum drehst du den Spieß nicht einfach um?», schlug er vor. «Wenn Heike Druck macht, sagst du ihr, sie kann dich kreuzweise. Droh ihr damit, alleine nach Garsdorf zu ziehen.»
«Ohne die Kinder?», fragte Alex entsetzt.
«Kind», verbesserte Lothar. «Momentan ist es nur ein Kind. Und selbstverständlich musst du damit drohen, ihr das dazulassen. Wenn du ankündigst, Saskia mitzunehmen, lässt Heike dich am Ende ziehen. Aber das wäre auch kein Drama. Mit dem, was dein Bruder jeden Monat abdrückt, kannst du es dir mit der Kleinen in der Villa gemütlich machen und für Saskia auch noch Unterhalt von Heike verlangen. Wenn das zweite da ist und Heike es
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