Die Schuldlosen (German Edition)
sie nicht mehr in der Verfassung war, sich mit einem lebhaften Kleinkind zu beschäftigen, fuhr er meist am späten Nachmittag oder erst am Abend alleine nach Garsdorf. Dann hatte Heike ihr Kaffeebüdchen geschlossen und die Einkäufe gemacht, nun konnte sie sich ein Weilchen um Saskia kümmern.
Die Kleine war elf Monate alt und Heike zum zweiten Mal schwanger. Den Verdacht hegte sie seit Mitte März, ein Arztbesuch am Gründonnerstag bestätigte ihn. Achte oder neunte Woche, ob es ein Junge oder wieder ein Mädchen war, ließ das Ultraschallbild noch nicht erkennen.
Das war Alex auch nicht so wichtig. Hauptsache gesund. Er hoffte, dass Heike nun bereit war, ihn zu heiraten, damit seine Kinder seinen Namen bekamen. Aber von Hochzeit war nicht die Rede. Als Heike vom Gynäkologen zurückkam, lag ihr etwas anderes am Herzen.
Sie empfand es seit langem als Unverschämtheit und brachte das wieder mal deutlich zum Ausdruck, dass von zwei Brüdern einer im Chefsessel der Brauerei saß, dort nach Belieben schalten und walten konnte, und dem anderen wurde nicht mal ein Job als Fahrer angeboten.
Alex wollte keinen Job als Fahrer. Wer sollte sich denn um die Kinder kümmern? Und völlig mittellos stand er nun wirklich nicht da, lebte weiß Gott nicht von dem, was Heike verdiente. Dank der Vorsorge seiner Mutter bekam er derzeit monatlich achtzehnhundert Euro. Das machte im Jahr 21600 Euro, wahrlich kein Pappenstiel.
Das fand auch Heike und rechnete ihm vor: Wenn man zehn Jahre Unterhalt in einer Summe zusammenfasste und fürs restliche Leben eine Verzichtserklärung unterschrieb, könnte man eine der Eigentumswohnungen kaufen, die am Stadtrand aus dem Boden gestampft wurden. Bei vier Zimmern und einem Stellplatz in der Tiefgarage kam man mit allem Drum und Dran auf etwas über zweihunderttausend. Da war dann aber eine neue Einrichtung einschließlich der Küche schon drin.
Für Albert sei das ein Klacks, meinte Heike. Seit der die Brauerei führte und der eiserne Heinrich ihm nicht mehr reinreden konnte, lief das Geschäft besser denn je, weil Albert die Angebotspalette schnell erweitert hatte.
«Ich möchte wetten, er hat den Umsatz mittlerweile verdoppelt», sagte sie. «Und deinen Unterhalt hat er in den letzten beiden Jahren um schlappe fünfzig Euro pro Monat erhöht. Eigentlich könntest du mal Einblick in die Bücher verlangen, um festzustellen, ob du wirklich noch nach dem Umsatz alimentiert wirst. Ich glaube das ehrlich gesagt nicht. Albert steckt das Geld lieber in die eigene Familie. Schickes Haus mit Schwimmbad im Keller und Solarzellen auf dem Dach. Jedes Kind hat ein eigenes Pferd, Cecilia fährt dreimal die Woche shoppen und kauft nur vom Feinsten. Das verstehe ich unter angemessener Lebensführung. Aber was dich angeht, hat Albert wahrscheinlich eine andere Vorstellung. Sag ihm, du bestehst auf einer Buchprüfung, wenn er pampig wird, was ich nicht glaube. Er macht ein gutes Geschäft, wenn er deinen Vorschlag annimmt. Wir runden die Summe auf. Mit zweihundertfünfzigtausend kann er sich von weiteren Verpflichtungen dir gegenüber freikaufen. Dann können wir noch etwas auf die hohe Kante legen. Ein kleines Polster ist nicht zu verachten, wenn man Eigentum hat.»
Dass sie mit zwei Kindern eine größere Wohnung brauchten, leuchtete Alex ein. Saskias Bettchen stand tagsüber im Schlafzimmer und wurde abends ins Wohnzimmer geschoben, damit Heike nachts nicht gestört wurde. Für ein zweites Kinderbett war wirklich kein Platz. Ihm war auch klar, dass kaufen entschieden günstiger war als mieten. Vorausgesetzt, man verfügte über das entsprechende Eigenkapital und musste nicht einer Hypothekenbank horrende Zinsen in den Rachen werfen. Aber seinem Bruder die Pistole auf die Brust setzen, das war nicht sein Ding. Gegen Albert, der altersmäßig sein Vater hätte sein können und sich meist auch so benahm, hatte er sich nie durchsetzen können.
Am Karfreitag probierte er es zuerst bei seiner Mutter. Doch Helene ging es so schlecht, dass sie gar nicht begriff, wovon er sprach. Beim zweiten Versuch am Samstagnachmittag hörte er dann, dass nach ihrem Tod die Villa in seinen Besitz übergehen sollte. Sein Bruder konnte diesbezüglich keine Ansprüche anmelden, der hatte mit der Brauerei bereits den fetteren Anteil am Immobilienvermögen erhalten. Allerdings war dem eisernen Heinrich ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt worden.
«Hier ist mehr als genug Platz für eine vierköpfige Familie und einen alten
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