Die Schuldlosen (German Edition)
behaupten? Der hänge ich das Kreuz aus, wenn ich …»
«Die Arbeit hat Alex dir abgenommen», fiel Lothar ihr ins Wort. «Er hat sie ersäuft wie eine rollige Katze. Dabei wollte sie ihn wahrscheinlich nur auf die Palme bringen.»
Lothar gab sich einen Großteil der Schuld. «Nach dem Ärger im Klo wollte Alex unbedingt nach Hause und dich fragen, ob das stimmt, was Janice gesagt hatte. Ich habe versprochen, ihn zu fahren. Aber Bernd Leunen riet, ich solle vorher noch mal mit den Jungs reden, die dazwischengegangen waren. Er meinte, dass Janice die Sache inszeniert haben könnte, um Alex eins auszuwischen. Das wollten die Burschen natürlich nicht zugeben, die haben sich eilig verkrümelt. Als ich zurück an den Tisch kam, waren die Leunens weg, Alex ebenso. Er hatte nicht bezahlt, deshalb dachte ich zuerst, er sei noch im Lokal. Ich habe ein paar Minuten am Tisch gewartet, mich dann auf die Suche nach ihm gemacht, konnte ihn aber nirgendwo finden. Janice war ebenfalls verschwunden. Irgendeiner sagte, sie wäre wegen ihrer zerrissenen Hose nach Hause gegangen. Es wusste nur keiner, ob Alex vor oder nach ihr raus ist.»
«Wenn du danach gefragt hast, musst du doch befürchtet haben, er wäre mit der Matratze zusammen», meinte Heike.
«Nicht zusammen», erklärte Lothar bestimmt. «Aber wenn er kurz nach ihr gegangen wäre, um sie noch mal zu fragen, mit wem du … Sie trug High Heels, er hätte sie leicht einholen können. Umgekehrt wäre das schwieriger gewesen.»
Er lag da und hörte sich an, wie sie im Wohnzimmer über seine Beweggründe, Gedanken und Gefühle spekulierten. Dabei fühlte er gar nichts, war immer noch total betrunken. Und trotzdem so seltsam klar im Kopf, als hätte das kalte Wasser der Greve ihn ernüchtert und seine Synapsen gereinigt, damit er alles, was Lothar nebenan erzählte, in seinem Gedächtnis einfrieren konnte.
«Ich hab sofort bezahlt und bin zum Auto. Den Schlüssel hatte ich ihm schon vorher abgenommen, damit er sich nicht besoffen hinters Steuer setzt. Zuerst bin ich zur Landstraße …»
«Warum?», fragte Heike verständnislos. Eigentlich hätte sie viel aufgewühlter sein müssen, wo sie gerade von einem Mord erfahren hatte. Aber das schien sie nicht so sehr aus der Fassung zu bringen wie die Vermutung, er könne sich erneut mit Janice eingelassen haben. «Wenn du befürchtet hast, er wäre noch mal mit der Matratze aneinandergeraten, da wäre ich an deiner Stelle doch zuerst …»
«Was glaubst du, was ich mir die ganze Zeit vorwerfe?», unterbrach Lothar sie seinerseits. «Aber ich wusste doch nicht, wer von beiden zuerst gegangen war. Und das Letzte, was ich von ihm gehört hatte, war, dass er sofort zu dir nach Hause will. Wenn er in seinem Zustand vor ein Auto getorkelt und überfahren worden wäre, hätte ich mir das auch nie verziehen. Beim Tümpel hab ich gewendet, weil mir klarwurde, dass er so weit unmöglich gekommen sein konnte. Es tut mir leid, Heike. Es tut mir furchtbar leid. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte …»
Ihm hätte es wohl ebenso leidtun sollen. Aber er fühlte nichts dergleichen, keine Reue, damals nicht, bis heute nicht. Er hatte es nur immer behauptet – mit Lothars Worten, in genau demselben weinerlichen Ton: «Es tut mir furchtbar leid. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte …» Vielleicht musste man sich erinnern, um aufrichtig zu bedauern, was man angerichtet hatte.
«Ich nehme an, Sie können sich denken, warum ich hier bin, Herr Junggeburt», begann Bernd Leunen.
Herr Junggeburt! Damit waren die Fronten klar, Bernd kam in amtlicher Mission. Früher waren sie natürlich per du gewesen.
«Ich bin nicht sicher, ob ich das kann, Herr Leunen», erwiderte Alex ebenso förmlich. Es musste ja nicht unbedingt um Saskia gehen, obwohl eine innere Stimme ihm zuflüsterte, der Mercedes sei ein Fehler gewesen, Heinrichs Rache aus dem Grab. «Du sollst nicht mit Puppen spielen! Und die Finger von meinem Wagen lassen!» Aber es gab immerhin noch die Möglichkeit, dass Lothar und Silvie den Autoschlüssel unterm Sitz bisher nicht gefunden und ihn deswegen angezeigt hatten.
«Macht’s Ihnen etwas aus hereinzukommen?», fragte er und stülpte sich das jungenhafte Lausbubengrinsen übers Gesicht, mit dem er sich die Leute früher in die Tasche gesteckt hatte. «Ich hab das Mittagessen auf dem Tisch. Wäre schade, wenn’s kalt wird.»
«Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Herr Junggeburt», sagte Bernd Leunen. Bereitwillig
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