Die Schule der Nacht
über Kopf ins Leben stürzen.« Sie hob ihr Glas und stieß noch einmal mit April an. »Auf deinen Vater!«
»Auf deinen Mann!« April lächelte.
»So, und jetzt mische ich mich mal unter Leute meiner Altersgruppe, schließlich bist du hier, um dich mit deinen Freundinnen zu amüsieren, und willst nicht den ganzen Abend deine alte Mutter am Rockzipfel hängen haben.« Sie gab April einen Kuss auf die Wange und verschwand zwischen den anderen Gästen.
April stellte ihr leeres Glas auf dem Tablett eines Kellners ab, schlenderte in den hinteren Bereich des Hauses und trat auf die Terrasse hinaus, wo gasbetriebene Heizstrahler dafür sorgten, dass niemand in der eisigen Nachtluft frieren musste.
»Da ist sie ja!«, rief Davina und eilte ihr mit ausgebreiteten Armen über die Terrassenstufen entgegen. Sie trug ein trägerloses, mit perlmuttglänzenden Pailletten besetztes Etuikleid und eine weiße Pelzstola, die ihre blonde Mähne noch schimmernder und üppiger wirken ließ als sonst. Davina war ein außergewöhnlich schöner Vampir, das musste April ihr lassen. Als sie sich zur Begrüßung umarmten, entdeckte sie auf dem schneebedeckten Rasen hinter der Terrasse einen großen Festpavillon, in dem buntes Discolicht flackerte.
»Läuft da etwa gerade ›La Macarena‹?«, fragte sie lächelnd.
»Oh Gott, manchmal würde ich meinen Vater am liebsten erwürgen«, stöhnte Davina und verdrehte die Augen zum Nachthimmel. »Er hat irgendeinen extrem uncoolen DJ gebucht, der in den Achtzigern angeblich mal eine ganz große Nummer bei Radio One gewesen sein soll. In den Achtzigern! Offenbar hat er ein kleines Vermögen für ihn hingeblättert.«
»Ist er denn auch hier? Dein Vater, meine ich?«
»Um nichts in der Welt würde Daddy den Winterball verpassen. Er ist da unten und tanzt sich die Seele aus dem Leib. Das ist so was von peinlich. Dreihundertvierundsechzig Tage im Jahr ist er ein knallharter Geschäftsmann, und an diesem einen Abend benimmt er sich dann wie ein durchgeknallter Teenager.«
April lächelte traurig. »Klingt irgendwie nett.«
»Bitte entschuldige, Darling«, sagte Davina hastig und drückte ihre Hand. »Mein Mundwerk war mal wieder schneller als mein Kopf.«
»Unsinn, ich finde es einfach nett, dass er auch so menschlich sein kann.«
Als April aufging, was sie da gerade über den Mann gesagt hatte, den sie im Verdacht hatte, der Vampir-Regent zu sein, hätte sie beinahe laut gelacht.
»Mir wäre nur lieber, er würde seine ›nette‹ Seite nicht unbedingt auf diese Weise zeigen«, antwortete Davina missmutig, dann sah sie sich kurz um und führte April am Ellbogen Richtung Haus zurück. »Ich möchte dir ja nicht den Abend verderben«, sagte sie leise, »aber hast du schon gesehen, wer da ist?«
April folgte Davinas Blick und entdeckte eine Gruppe von Jungs, die lachend und sich zuprostend am anderen Ende der Terrasse stand, unter ihnen Benjamin, Marcus – und Gabriel.
»Keine Sorge, ich glaube nicht, dass er dich gesehen hat. Tut mir wirklich leid, Darling, aber Ben hat darauf bestanden, Gabe einzuladen. Ich weiß, dass er im Moment wahrscheinlich so ziemlich der letzte Mensch ist, dem du begegnen willst, aber ich habe Ben gebeten, ihn, so gut es geht, von dir fernzuhalten.«
»Das hättest du nicht tun müssen«, sagte April.
»Unsinn. Egal, was zwischen euch vorgefallen ist, ich stehe voll und ganz auf deiner Seite und möchte auf keinen Fall, dass dir irgendjemand den Abend verdirbt. Heute sollst du dich einfach nur amüsieren. Apropos – höchste Zeit, dass wir uns einen neuen Drink organisieren!«, rief sie und führte April ins Haus zurück. »Wusstest du, dass mein nichtsnutziger Bruder den besten Cocktail der Welt erfunden hat?«
April lachte. »Danke, aber mit dem Apple Pearl habe ich bereits Bekanntschaft geschlossen. Heute Abend halte ich mich lieber an die Softdrinks.«
Davina zog eine Schnute. »Spielverderberin.«
»Da wir gerade beim Thema Jungs sind«, sagte April. »Was ist eigentlich aus Jonathon geworden? Ich habe ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen.«
Ein widerwilliger Ausdruck huschte über Davinas Gesicht. »Wir haben uns getrennt, als sein Vater beruflich die Stadt wechseln musste. Er war ganz süß, aber es gibt noch jede Menge andere süße Jungs.«
April hatte mit dieser Antwort fast schon gerechnet. »Die Familie ist in eine andere Stadt gezogen« – genau das hatten sie und Caro immer und immer wieder gehört, seit sie versuchten, die verschwundenen
Weitere Kostenlose Bücher