Die Schule der Nacht
betraten. Die Dekorateure hatten sich selbst übertroffen und eine wunderschöne verzauberte Winterlandschaft geschaffen. Um das Geländer des Treppenaufgangs wanden sich grüne Efeuranken und duftende Tannenzweige, die Stufen waren von roten Teelichtern gesäumt, und von den Wänden hingen zarte Lichterketten, die wie winzige Eiszapfen schimmerten.
»Silvia! Wie schön, dass Sie gekommen sind!«
Barbara Osbourne kam ihnen in einem tief ausgeschnittenen silbernen Ballkleid entgegen und begrüßte Aprils Mutter mit einer herzlichen Umarmung.
»Es ist uns wirklich eine ganz besondere Freude, Sie wieder einmal in unserer Mitte zu haben«, sagte sie. »Und Sie, meine liebe April, sehen jedes Mal, wenn wir uns begegnen, noch hinreißender aus.«
Unsere erste Begegnung fand am Tag der Beerdigung meines Vaters statt, da werde ich wohl kaum hinreißend ausgesehen haben, dachte April, lächelte aber höflich.
»Darf ich Ihnen Caro Jackson vorstellen«, sagte Silvia. »Sie ist ebenfalls an der Ravenwood School.«
Caro machte einen kleinen Knicks und murmelte ein »Freut mich sehr«, aber ihre Aufmerksamkeit schien auf etwas anderes gerichtet zu sein. Als April ihrem Blick folgte, entdeckte sie Simon, der am anderen Ende des Raums an einem Flügel saß und gemeinsam mit Benjamin, Marcus und den restlichen Rugby-Jungs ein Lied schmetterte.
»Entschuldigt mich bitte kurz«, murmelte Caro und verschwand in der Menge. Mrs Osbourne entschuldigte sich ebenfalls und eilte strahlend ein paar neu eingetroffenen Gästen entgegen.
»Hübscher Junge«, sagte Aprils Mutter und nickte anerkennend in Simons Richtung.
»Ist aber leider vom anderen Ufer. Arme Caro.«
»Tatsächlich?« Silvia blickte noch einmal skeptisch zu ihm hinüber. »Das hätte ich nicht gedacht.«
Sie nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett eines vorbeikommenden Kellners – »Nur eines«, sagte sie zwinkernd –, während April sich einen Orangensaft geben ließ. Sie hatte beschlossen, sich mit dem Alkohol heute lieber zurückzuhalten, um nicht in den gleichen Zustand zu geraten wie auf Milos Party.
»Es ist so schön, dich mal wieder glücklich zu sehen, Mum«, sagte sie, nachdem sie miteinander angestoßen hatten. »Na ja… obwohl glücklich vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist, aber…«
Ihre Mutter legte ihr eine Hand auf den Arm. »Ist schon in Ordnung, Liebes. Ich weiß, was du meinst. Und keine Sorge, ich habe nicht vor, mir in absehbarer Zeit irgendeinen anderen Mann zu angeln. Genau genommen, ist das überhaupt kein Thema mehr für mich. Das klingt jetzt vielleicht seltsam für dich, aber von dem Moment an, in dem ich deinen Vater traf, gab es für mich keinen anderen Mann mehr. Ja, wir haben schwierige Zeiten durchgemacht und hatten Probleme, an denen wir arbeiten mussten, und es tut mir wahnsinnig leid, wie sehr du immer wieder unter unseren Auseinandersetzungen gelitten hast, aber ich habe William unendlich geliebt.« In ihren Augen begann es verdächtig zu glitzern, und sie hielt inne und presste sich kurz die Hand auf den Mund.
»Oh Mum«, flüsterte April traurig. Sie hatte noch nie ein einfaches Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt – die im Vergleich zu ihrem Vater immer kühl und oberflächlich gewesen war –, aber es brach ihr beinahe das Herz, sie so leiden zu sehen. Sosehr sie selbst auch unter dem Verlust ihres Vaters litt, konnte sie sich vorstellen, wie ungleich schmerzhafter es für ihre Mutter sein musste, ihre einzig wahre Liebe verloren zu haben – zumal sie ihm das Leben über Jahre hinweg nicht gerade einfach gemacht hatte.
»Es geht schon wieder.« Silvia atmete tief durch. »Eines darfst du nie vergessen, April – dein Vater hat uns sehr geliebt. Manchmal fast zu sehr. Aber er liebte auch das Leben und wusste seine schönen Seiten zu schätzen. Wenn er jetzt hier wäre, wäre er bereits bei seinem zweiten Brandy angelangt und hätte mich auf die Tanzfläche gezerrt.«
April lachte. Ihre Mutter hatte recht, ihr Vater war der Mittelpunkt jeder Party gewesen und hatte es geliebt, die Leute mit witzigen Anekdoten zu unterhalten. Wäre er heute Abend hier gewesen, hätte es bestimmt ein paar Situationen gegeben, in denen er ihr total peinlich gewesen wäre. Und trotzdem hätte sie alles dafür gegeben, ihn noch einmal so erleben zu dürfen.
»Ich glaube, er hätte gewollt, dass wir ihn genau so in Erinnerung behalten«, sagte ihre Mutter. »Weißt du was? Wir sollten uns ein Beispiel an ihm nehmen und uns Hals
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