Die Schule der Nacht
kleine Stücke zerteilt und die Blaubeeren zu einem Häufchen auf dem Teller geschichtet.
»Da irrst du dich.« Caro zeigte mit der Gabel auf ihr Oberteil. »Dieses weinrote Monstrum ist die perfekte Tarnkleidung.«
April runzelte verwirrt die Stirn.
»Psychologisches Grundwissen, meine Liebe. Wenn ich mich Milo zu Ehren ebenfalls ganz in Schwarz hüllen und anfangen würde, mit Layla zur Maniküre zu gehen, würden die Giftzähne doch sofort Verdacht schöpfen, oder? Dadurch, dass ich meine Außenseiterrolle aufrechterhalte, komme ich viel authentischer rüber, und das verstärkt ihren Wunsch, mich auf ihre Seite zu ziehen.«
»Moment mal«, sagte April. »Nennen wir die Vampire jetzt ›Giftzähne‹?«
»Ich finde, das Wort hat was.« Caro grinste. »Und wenn zufällig mal jemand mithört, können wir uns auf alle möglichen Leute beziehen: Lehrer, Jungs, ätzende Mitschülerinnen.«
April nickte zustimmend. »Gefällt mir.«
»Jedenfalls hat meine Taktik funktioniert«, sagte Caro triumphierend und zog ein goldenes Kuvert aus ihrer Tasche. »Voilà. Eine Eintrittskarte für den Winterball der Osbournes, überreicht vom Obergiftzahn Davina Osbourne höchstpersönlich.«
»Das gibt’s doch nicht!« April sprang auf und umarmte ihre Freundin über den Tisch hinweg. Das waren endlich mal gute Neuigkeiten. Ihr hatte schon davor gegraut, ein zweites Mal mutterseelenallein auf eine stinkvornehme Party gehen zu müssen, auf der sie sich wie eine Außenseiterin vorkommen würde, die sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen eingeschlichen hatte – von ihrem Vorhaben, dort nach weiteren Hinweisen zum Mörder ihres Vaters zu suchen, und der Gefahr, in die sie sich dadurch begeben würde, einmal ganz abgesehen.
»Cool! Wie hast du das hingekriegt?«
»Ich habe während einer Unterhaltung ganz beiläufig fallen gelassen, dass ich bereits einen Studienplatz in Cambridge, an der John Hopkins University und am Massachusetts Institute of Technology angeboten bekommen habe. Daraufhin passierte erst einmal gar nichts, wahrscheinlich hat Davina Zeit gebraucht, um die Information zu überprüfen, aber dann fing sie urplötzlich an, mit meiner Halsschlagader zu flirten und sich mit mir über Cocktailkleider zu unterhalten.«
»Gut gemacht«, lobte April sie. »Vielleicht bringt uns das endlich einen Schritt weiter.«
»Hoffentlich, aber das ist noch nicht alles«, erzählte Caro weiter. »Ich hab gestern Abend noch mal versucht, die Verschwundenen aufzuspüren.«
Bei den »Verschwundenen« handelte es sich um die sechs Ravenwood-Schüler, von denen Caro ihr schon einmal erzählt hatte. Sie waren eines Tages nicht mehr in der Schule aufgetaucht und seitdem wie vom Erdboden verschluckt.
»Ich habe alle infrage kommenden Schulen abgeklappert und ehemalige Mitschüler und Freunde von ihnen befragt. Aber keiner hat jemals wieder etwas von ihnen gehört. Die haben noch nicht einmal mehr eine Weihnachtskarte bekommen.«
April nippte an ihrem Kaffee und gab sich Mühe, optimistisch zu bleiben. Wenn sie doch nur endlich etwas herausfinden würden, was sie weiterbrachte. Sie selbst trat mit ihren eigenen Ermittlungen zum Tod ihres Vaters auch auf der Stelle. Sein Terminkalender hatte bis auf die Verabredung mit Mr Gill keine brauchbaren Hinweise enthalten, und sie wusste immer noch nicht, warum er den Termin in der Buchhandlung damals nicht eingehalten hatte. Da ihre Mutter am Tag seines Todes bei ihrem Vater gewesen war, hatte sie ihr ebenfalls nichts darüber sagen können. Die Spur drohte im Sand zu verlaufen, genau wie ihre Nachforschungen über den Vampir-Regenten und die Furien. Trotz stundenlanger Internetrecherchen hatte sie weder etwas über eine interne Hierarchie innerhalb der Vampirgemeinschaft noch irgendwelche Anhaltspunkte über eine Art natürlichen Erzfeind gefunden. Die weit verbreitete Meinung schien zu sein, dass Vampire Einzelgänger waren, die ziellos umherstreiften und aufs Geratewohl töteten, aber wenn dem so wäre, hätten überall in England Leichen mit herausgerissenen Kehlen herumliegen müssen – nicht nur in London. April hatte das Gefühl, durch zähen Sirup zu waten. Die wilde Entschlossenheit, die sie noch vor wenigen Tagen verspürt hatte, hatte durch Milos Tod einen empfindlichen Dämpfer bekommen, und dass so gut wie jeder Hinweis ins Nichts zu führen schien, lähmte sie zusätzlich.
»Meinst du, wir finden auf der Party irgendetwas heraus?«
»Hab Vertrauen«, sagte Caro
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