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Die Schule der Nacht

Die Schule der Nacht

Titel: Die Schule der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Mia
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die Intelligenz deines Vaters geerbt, aber manchmal verstehst du eben noch nicht alles, was zwischen Erwachsenen vor sich geht.«
    Oh-oh, ich hab das Gefühl, das wird gar kein Aufklärungsgespräch, dachte April unbehaglich. Lassen sie sich etwa doch scheiden?
    Silvia seufzte und sah aus dem Seitenfenster. »Dein Vater und ich, wir verstehen uns in letzter Zeit nicht so gut«, sagte sie leise. »Und ich möchte, dass du weißt, dass das nichts mit dir zu tun hat.«
    Als hätte ich das je geglaubt!, empörte April sich stumm.
    »Als Paar macht man immer wieder mal auch schwierige Zeiten durch… Das kommt in den besten Beziehungen vor. Aber wir wollen hier noch einmal ganz neu anfangen – neue Stadt, neue Arbeitsstelle, neue Schule, neues Haus.«
    Als sie April den Kopf zuwandte, glitzerten Tränen in ihren Augen.
    »Mach dir keine Sorgen, Schatz. Alles wird wieder gut«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ganz bestimmt.«
    April wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Es war nicht etwa so, als hätte ihre Mutter niemals Gefühle gezeigt, im Gegenteil. Sie bekam in regelmäßigen Abständen Tobsuchtsanfälle – zum Beispiel, weil Aprils Vater ihren Wünschen nicht nachkam – und konnte wegen eines Streits oder einer eingebildeten Kränkung tagelang beleidigt sein. Aber eine echte, aufrichtige Gefühlsregung wie diese hier kannte sie von ihrer Mutter eigentlich nicht. Und sie hatte sie tatsächlich noch nie zuvor weinen sehen. Kreischen und zetern, ja. Eimerweise hervorgepresste Krokodilstränen, während sie sich darüber beklagte, dass es niemanden interessierte, wie es ihr ging, ja. Aber nicht das. April war ratlos. Sollte sie ihr Mut zusprechen? Sie tröstend in den Arm nehmen? Aber bevor sie irgendetwas tun konnte, schlug ihre Mutter plötzlich mit der Faust gegen die Fensterscheibe.
    »Der verdammte Mistkerl!«, flüsterte sie. Dann schüttelte sie den Kopf, griff in ihre Prada-Tasche, zog ein Taschentuch hervor und putzte sich geräuschvoll die Nase. »Mach dir keine Sorgen um mich, Schatz«, sagte sie betont munter und tätschelte Aprils Knie. »Ich hätte zum Mittagessen wahrscheinlich doch lieber keine zwei Manhattans trinken sollen. Übrigens wäre es mir lieb, wenn du deinem Großvater gegenüber nichts davon erwähnen würdest.«
    Ach, darum geht es also, dachte April, und ihr Mitgefühl für ihre Mutter schrumpfte merklich. Silvia wollte nicht, dass ihr Großvater erfuhr, wie schlecht es um ihre Ehe bestellt war. Thomas Hamilton war ein beeindruckender Mann, der aus Rumänien nach England eingewandert war, in den Sechzigerjahren ein Vermögen gemacht hatte, dessen Herkunft im Dunklen lag, und nun in einer riesigen düsteren Villa in Covent Garden lebte, die voller seltsam verschnörkelter Möbel und exotischer Gerüche war. Als April noch ein kleines Mädchen gewesen war, war ihr ihr Großvater mit seinem zerzausten weißen Schopf und den buschigen Augenbrauen immer wie der böse Riese in Märchen vorgekommen, aber als sie älter wurde, hatte sie allmählich verstanden, dass er strikt nach den Wertvorstellungen seiner alten Heimat lebte, wo Familie und Traditionen eine wichtige Rolle spielten. Allerdings hatte ihn das nicht davon abgehalten, seinen Familiennamen zu ändern und sich alle Mühe zu geben, seinen Akzent abzulegen und seine Herkunft zu verbergen, während er die gesellschaftliche Leiter immer weiter emporgeklettert war. Im engsten Familienkreis wurde er jedoch nie müde, sie wieder und wieder daran zu erinnern, dass sie einem alten rumänischen Adelsgeschlecht entstammten – wobei er sich mit genauen Angaben bedeckt hielt. Er verpasste auch keine Gelegenheit, seine Tochter darauf hinzuweisen, dass sie seine Erwartungen enttäuscht hatte. Dass seine »kleine Prinzessin« einen einfachen Journalisten geheiratet hatte, grenzte in seinen Augen wahrscheinlich an Hochverrat. April nahm an, dass Silvia nicht wollte, dass er von ihren Eheproblemen erfuhr, weil er sich dadurch nur in seiner negativen Einschätzung bestätigt gefühlt hätte. Trotzdem nahm sie es ihrer Mutter übel, dass sie sie praktisch dazu aufforderte, für sie zu lügen. Missmutig starrte sie aus dem Fenster und beobachtete die gegen die Scheibe prasselnden Regentropfen.
    »Keine Sorge, ich erzähl ihm schon nichts«, sagte sie gereizt. »Außerdem gibt es genügend andere Themen, über die wir uns unterhalten können. Immerhin haben wir ihn seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Ich weiß, dass Grandpa manchmal ein

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