Die Schule der Robinsons
ließen.
Man mußte den unglücklichen Lehrer sehen… (S. 53.)
Es war ein Mann von etwa fünfunddreißig bis vierzig Jahren, mit intelligentem Gesicht, gut gewachsen und von behäbiger Physiognomie, obgleich sein Gesicht infolge eines schon sechzigstündigen Aufenthaltes in dem wenig gelüfteten Schiffsraum etwas blaß geworden war. Nur der Zufall hatte seine Entdeckung in dem dunklen Versteck herbeigeführt.
Der Capitän Turcotte bedeutete seinen Leuten durch ein Zeichen, den Mann loszulassen.
»Wer bist Du? fragte er.
– Ein Sohn der Sonne.
– Und wie nennst Du Dich?
– Seng-Vou, antwortete der Chinese, dessen Name in seiner Sprache bedeutete: »Der nicht lebt«.
– Was machst Du hier an Bord?
– Ich fahre über See, antwortete Seng-Vou gelassen, aber so, daß ich Ihnen nur die geringste Beschwerde mache.
– In der That, mit der geringsten Beschwerde für uns!… Und Du hast Dich bei der Abfahrt im Raum versteckt?
– Wie Sie sagen, Capitän.
– Um Dich gratis von Amerika nach China, nach der anderen Seite des Stillen Oceans schaffen zu lassen?
– Wenn Sie es wollen, ja.
– Und wenn ich es nicht will, verschmitzte Gelbhaut, wenn ich dich ersuchte, von hier nach China zu schwimmen?
– So würde ich den Versuch machen, erwiderte der Chinese lächelnd, obgleich ich wahrscheinlich unterwegs untergehen würde.
– Wohlan, verdammter John 1 , rief Capitän Turcotte, ich werde Dich lehren, die Ueberfahrtskosten ersparen zu wollen!«.
Vielleicht mehr erzürnt, als die ganze Sache werth war, hätte Capitän Turcotte die angedrohte Execution wahrscheinlich ausführen lassen, als Godfrey sich einmischte.
»Capitän, sagte er, ein Chinese mehr an Bord des »Dream« bedeutet einen solchen weniger in Californien, wo es deren so wie so sehr viele giebt.
– Wo es deren zu viele giebt, verbesserte ihn Capitän Turcotte.
– Meinetwegen zu viele, meinte Godfrey. Nun wohl, da dieser arme Teufel den Entschluß gefaßt hat, San Francisco von seiner Gegenwart zu befreien, verdient er schon einiges Mitleid…. Was ist auch dabei? Wir werfen ihn beim Passiren der Küste von Shangaï hinaus, und dann ist von der ganzen Geschichte nicht mehr die Rede.«
Mit der Aeußerung, daß es zu viele Chinesen in Californien gäbe, führte Godfrey nur die Sprache jedes echten Sohnes dieses Staates. Unzweifelhaft ist die Auswanderung der Söhne des Himmlischen Reiches – es giebt deren dreihundert Millionen in China gegenüber dreißig Millionen Amerikanern in den Vereinigten Staaten – zur wirklichen Gefahr für die Staaten des fernen Westens angewachsen. Die Gesetzgebung dieser Staaten, Californien, Nieder-Californien, Oregon, Nevada, Utah, ja der Congreß selbst, hat sich mit der Einwanderung dieser neuen Art von Volksseuche beschäftigt, der die Yankees den bezeichnenden Namen »die gelbe Pest« gegeben haben.
Jener Zeit zählte man 50.000 Kinder des Himmlischen Reiches allein in Californien. Diese Leute, welche in der Goldwäscherei besonders thätig, dabei sehr ausharrend sind, von einem Löffel Reis, einem Schluck Thee und einem Zuge Opiumrauch leben, veranlaßten zum Schaden der eingeborenen Arbeiter einen merkbaren Niedergang des Preises der Handarbeit. Man hatte sich schon – im Widerspruch mit der amerikanischen Verfassung – gezwungen gesehen, sie Ausnahmegesetzen zu unterstellen, welche ihre Einwanderung regeln sollten und ihnen das Recht absprachen, sich naturalisiren zu lassen, da man fürchtete, daß sie gar einmal die Majorität im Congreß erlangen könnten. Im Allgemeinen gleich den Indianern und Negern schlecht behandelt, wurden sie, wie um den Namen »Pestträger«, mit dem man sie belegte, zu rechtfertigen, meist in einer Art Ghetto zusammengepfercht, wo sie Sitten und Gebräuche des Himmlischen Reiches streng conserviren.
In der Hauptstadt von Californien sind sie durch das Drängen der anderen Racen in das Quartier der Sacramentostraße getrieben worden, welche von ihren merkwürdigen Fahnen und Laternen fast verstopft erscheint. Hier trifft man sie zu Tausenden in der weitärmeligen Blouse, der konischen Mütze und den nach vorn spitzig auslaufenden Schuhen. Hier leben sie meist als Gewürzkrämer oder Wäscher, wenn sie nicht als Köche dienen oder einer jener dramatischen Gruppen angehören, welche auf dem französischen Theater von San Francisco chinesische Stücke aufführen.
Seng-Vou – wir haben keinen Grund es zu verheimlichen – gehörte einer jener heterogenen Truppen
Weitere Kostenlose Bücher