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Die Schule der Robinsons

Die Schule der Robinsons

Titel: Die Schule der Robinsons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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das Gehölz im Osten begrenzten, ließ ihm zu gar nichts Anderem Zeit. Er suchte nur zwischen dem Blätterwerk die Richtung der Sonnenstrahlen, um in geradester Linie zu seinem Ziele zu gelangen. Er sah nicht einmal jene Führervögel – so genannt, weil sie vor dem Reisenden her zu fliegen pflegen – wie sie still hielten, zurückkamen und dann wieder davonflogen, als wollten sie ihm den Weg zeigen; nichts konnte seine Gedanken ablenken.
    Diese Spannung des Geistes erscheint ja ganz erklärlich; noch vor Ablauf einer Stunde sollte sein Loos entschieden sein; er würde wenigstens wissen, ob die Möglichkeit gegeben war, einen bewohnten Punkt des Landes zu erreichen.
    Schon hatte sich Godfrey, in Erwägung der – so weit er davon unterrichtet war – eingehaltenen Route und des vom »Dream« zurückgelegten Weges während einer Fahrt von siebzehn Tagen, gesagt, daß es nur die chinesische oder japanesische Küste sein könne, an der das Schiff versunken war. Uebrigens bewies die Stellung der Sonne, welche sich im Verhältniß zu ihm stets im Süden hielt, deutlich, daß der »Dream« die Grenze der südlichen Halbkugel noch nicht überschritten haben konnte.
     

    Er verschwand unter dem Grün der Bäume. (S. 86.)
     
    Zwei Stunden nach seinem Aufbruche schätzte Godfrey den zurückgelegten Weg etwa auf fünf Meilen, unter Einrechnung verschiedener Umwege, zu denen er infolge der dichten Stellung der Bäume gezwungen gewesen war. Die zweite Hügelkette konnte jetzt nicht mehr weit sein. Schon wichen die Bäume mehr auseinander und bildeten vereinzeltere Gruppen, während die Lichtstrahlen leichter durch das Gezweig Eingang fanden. Der Erdboden stieg auch allmählich an und mußte bald in eine steilere Rampe übergehen.
    Obwohl ziemlich ermüdet, besaß Godfrey genug Willenskraft, seinen Marsch nicht zu verlangsamen. Er wäre sogar gelaufen, wenn die ersten Abhänge nicht gar so steil angestiegen wären.
    Bald befand er sich in genügender Höhe, um das grüne Blätterdach hinter ihm, aus dem sich da und dort darüber hinausragende Baumkronen erhoben, vollständig zu überblicken.
    Godfrey dachte jedoch nicht im Mindesten daran, sich durch einen Rückblick zu ergötzen. Sein Auge hing unbeirrt an der entblößten Linie des Hügelkammes, die sich vier-bis fünfhundert Fuß vor und über ihm ausdehnte. Das war die Schranke, die ihm noch immer den östlichen Horizont verbarg.
    Ein kleiner, schräg abgedachter Kegel überragte jene bogenförmig verlaufende Linie und schloß sich mit sanfter Abdachung an den allgemeinen Kamm der Kette an.
    »Dort! dort! sagte sich Godfrey, diesen Punkt muß ich erklimmen!… Das ist der Gipfel des Kegels!… Und was werd’ ich von da erblicken?… Eine Stadt?… Ein Dorf?… Die Wüste?«
     

    »Eine Insel!« (S. 90.)
     
    Hoch erregt stieg Godfrey weiter hinauf und preßte die Arme gegen die Brust, um das Klopfen seines Herzens zu mäßigen. Sein schon etwas keuchendes Athmen griff ihn zwar an, aber er hätte nicht die Geduld gehabt, stehen zu bleiben, um einmal Athem zu schöpfen. Und wenn er auch auf dem jetzt kaum noch hundert Fuß über ihm liegenden Gipfel des Kegels hätte zusammenbrechen sollen, so wollte er doch keine Minute verlieren.
    Endlich – noch wenige Augenblicke – dann mußte er oben sein. Der in einem Winkel von dreißig bis fünfunddreißig Grad aufsteigende Abhang erschien ihm von dieser Seite her sehr steil. Er kletterte mit Händen und Füßen; hielt sich an dem dünnen Grase und zog sich an den mageren Mastix-und Myrthenbüschen empor, welche bis zum Gipfel hinanreichten.
    Jetzt noch eine letzte Anstrengung, dann überragte er mit dem Kopfe die Oberfläche des Kegels, während er, platt auf dem Boden liegend, mit den Augen den ganzen Horizont im Osten begierig musterte….
    Es war nur das Meer, welches diesen bildete und in einer Entfernung von etwa zwanzig Meilen mit dem Himmel zu einer Linie verschmolz.
    Er drehte sich um…
    Wiederum das Meer, im Westen, im Süden und Norden – das unendliche Meer, das ihn von allen Seiten umgab!
    »Eine Insel!«
    Als er dieses Wort ausrief, empfand Godfrey einen schmerzlichen Stich im Herzen. Der Gedanke war ihm noch nie gekommen, daß er sich auf einer Insel befinden könne, und doch war das der Fall! Die Landzunge, welche er vorher als Verbindung mit dem Lande vermuthet hatte, war nirgends vorhanden. Ihm war es zu Muthe, wie einem Menschen, der, in einem Boote eingeschlafen, mit der Strömung hinausgeführt worden ist

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