Die Schule der Spielleute
den Mund des Toten. Als er wieder aufschaute, lag seine Stirn in düsteren Falten. ťDas war nicht nur Whisky. Davon hat er auch recht wenig getrunken.Ť
Alheit horchte auf. ťNicht nur was?Ť
ťUisge beatha, das LebenswasserŤ, erklärte Robert, als müsste das jeder wissen. ťEs riecht nach Gänsefuß, aber der ist doch nicht giftig. Man kann ihn sogar essen.Ť Er fuhr zu Franz herum. ťHattest du nicht etwas zum Einreiben?Ť
ťDoch.Ť Franz ging zu dem Bündel neben seinem Lager und zog eine Tonflasche heraus. ťDas hier hat mir Bruder Benedikt gegeben.Ť
ťKlostermixturenŤ, schnaubte Robert. Mit einer geübten Handbewegung öffnete er das Fläschchen und roch daran. Dann wiegte er bedenklich den Kopf. ťWie viel fehlt?Ť, fragte er.
Franz zuckte die Achseln. ťIch habe das Zeug seit letztem Dienstag. Viel ist nicht mehr übrig.Ť
Robert wog die Flasche in der Hand. ťIch kann nichts sagen. Die Flasche war gut eingepackt?Ť
ťJa.Ť
Robert ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, bis er an Lene hängen blieb. ťIhr schlaft auch hierŤ, stellte er fest.
ťJa, aber ich habe nicht gehört, dass jemand hereingekommen istŤ, antwortete sie schnippisch.
ťElbelin liegt ja auch gleich an der TürŤ, warf Alheit ein.
ťUnd wir waren heute Nacht alle gleich voll von deinem LebenswasserŤ, ergänzte Franz.
ťWir müssen es dem Platzmeister meldenŤ, sagte Gottfrid, der bisher schweigend dagesessen hatte, das Gesicht in den Händen verborgen.
Robert und Alheit schüttelten den Kopf. ťDu hast ihn selbst gehört, als der Bär los warŤ, erinnerte Alheit.
ťWir haben am Hof des Erzbischofs von Trier gespieltŤ, widersprach Gottfrid trotzig. ťIch schreibe Herrn Balduin.Ť
ťOh, schreiben kann es auchŤ, höhnte Lene. ťPass nur auf, dass dir nicht einer den Garaus macht.Ť
Gottfrid sah sie erschrocken an. Offenbar war er auf diesen Gedanken noch nicht gekommen.
ťWenn es nicht das Lebenswasser war, was dann?Ť, fragte Franz dazwischen. Alheit warf ihm einen warnenden Blick zu. Es war nicht gut, vor aller Welt Verdächtigungen auszustreuen.
ťHolzgeist.Ť Robert warf nur das eine Wort als Antwort hin.
Erschrocken schlug Gottfrid das Kreuz. ťWas ist das für ein Geist?Ť
ťOh, ein sehr gefährlicherŤ, antwortete Robert ernst. ťEr wohnt in Flaschen, und wenn er entkommen kann und von einem Körper Besitz ergreift, dann wird derjenige blind, und oft stirbt er kurz darauf.Ť
ťDann muss ihn ein Priester austreibenŤ, rief Gottfrid und sprang auf. ťSonst findet er doch nicht die ewige Ruhe.Ť Mit langen Schritten ging er auf und ab.
ťIch weiß einen, der das für wenige Heller besorgen wird.Ť Diesmal war Roberts Grinsen nicht mehr zu übersehen. ťEuer Pater ist doch noch hier?Ť, wandte er sich an Alheit.
Sie nickte langsam. ťAber ich weiß nicht, wo er wohnt. Bei den Beginen
Ť
Gottfrid schien die beiden gar nicht gehört zu haben. ťIch gehe zu den FranziskanernŤ, verkündete er. ťDort werde ich einen finden, der diesen Geist bannen kann ehe er noch jemanden von uns in Besitz nimmt.Ť
Robert sah an ihm hinauf. ťGerade du bist in großer Gefahr.Ť
Schon an der Tür, fuhr Gottfrid herum. Sein Gesicht war von Angst verzerrt. Dann raffte er sich auf und lief die Treppe hinunter.
ťWarum glaubst du, dass Gottfrid von diesem Geist Gefahr droht, Robert?Ť, fragte Alheit.
Der zuckte die Schultern. ťDie beiden werden den, der sich hier rächt, wohl gemeinsam geärgert haben.Ť
Alheit schwieg. Ihr fielen mehrere Leute ein, die infrage kamen.
ťMeinst du Israel?Ť, fragte Franz an ihrer Stelle.
Huftritte erklangen vom Hof herauf.
ťWolfram hat sein Pferd geholtŤ, murmelte Franz.
Robert nickte schwer. ťEr hat recht. Wir müssen aufbrechen.Ť
Alheit sah zu ihm auf. ťUnd Elbelin?Ť
ťUm den muss sich Gottfrid kümmern.Ť
ťDer eben aus Angst vor dem Geist davongelaufen ist.Ť
ťDie Welt ist voller unvollkommener Menschen. Dennoch werden die Toten begraben, und die Lebenden leben weiter.Ť Damit wandte Robert sich zur Tür hinaus und ging rasch die Treppe hinunter.
Alheits Hand lag noch immer an Elbelins Wange. Sie konnte sich nicht überwinden aufzustehen. Wieviel durfte sie einem Menschen glauben, der selbst verdächtige Zutaten in Elbelins Essen gegeben hatte? Wer außer Robert konnte ihr in diesen Dingen raten?
ťBurkhardŤ, sagte Franz.
Sie seufzte. Wer sollte mit dem Wirt reden, wie lange der Tote in seinem Haus bleiben durfte, wenn nicht sie? Wer würde dafür bezahlen? Für
Weitere Kostenlose Bücher