Die Schule der Spielleute
Tür wieder öffnete, bildeten sie eine Gasse für den Toten.
Hinter dem betenden Mönch und der Bahre zogen sie zur Kirche. Katherine ging neben Gottfrid. Als Letzter reihte sich Wolfram ein.
Die Knechte setzten Elbelin vor dem Altar ab, der Mönch sang ein letztes Amen und verschwand durch die Tür, die den Brüdern des Konvents vorbehalten war.
Eine Weile standen alle schweigend vor der Bahre. Dann bekreuzigte sich Gottfrid: ťUnd nun geht es dem nach, der das verbrochen hat.Ť Entschlossen wandte er sich zu den anderen um. ťSeit gestern Abend kann er weit gekommen sein. Weiß einer von euch, wo er gewohnt hat?Ť
Alheit setzte zu einer Antwort an, doch Robert war schneller: ťDas Judenviertel in Worms ist groß, wenn du dort alle befragen willst
Ť
Vielleicht war es besser so.
ťReicht es nicht, wenn wir die Wachen an den Stadttoren fragen?Ť Gottfrid wollte nicht aufgeben.
ťWir?Ť, entgegnete Robert. ťWir werden nach Frankfurt ziehen, wie wir es geplant hatten.Ť
ťDann gehe ich eben allein.Ť
ťBitte sehr, tu das.Ť
Gottfrid lief hinaus auf die Gasse.
Katherine war dem Wortwechsel mit besorgter Miene gefolgt. Nun ließ sie den Kopf hängen und schmiegte sich an ihre Mutter.
Alheit schüttelte den Kopf. Natürlich wollte Gottfrid seinen Freund rächen. Aber sie ahnte, dass er in die falsche Richtung rannte. Ob sie versuchen sollte, Israel zu warnen? Oder jene, die unschuldig in seiner Nähe waren? Sie wusste immerhin einen Namen und ein Haus, wo sie fragen konnte. Aber vielleicht war es besser, all das Herrn Heinrich mitzuteilen. Er müsste wissen, wie der Täter bestraft und der Friede gewahrt werden konnte.
ťWir sollten jetzt auch gehenŤ, schlug Alheit vor und verließ die Kirche. Franz folgte ihr.
Erst jetzt, auf dem kurzen Weg zurück zur Herberge, fiel ihr auf, wie gut dieser Tag zum Wandern wäre, klar, trocken und nicht allzu kalt. Ein Geschenk für all die Spielleute, die sich heute zu neuen Unternehmungen aufmachten. In einem Winkel ihres Herzens bedauerte Alheit, dass sie diesen schönen Reisetag nicht ebenfalls nutzen konnten.
ťWir brechen jetzt auf nach FrankfurtŤ, erklärte Robert, als sie in Burkhards Hof neben dem beladenen Maultierkarren standen. ťLebt wohl, und denkt daran: Trinkt nur gebranntes Wasser, das nachweislich aus Irland kommt.Ť
Franz stöhnte leise. ťOder am besten gar keins.Ť
ťNimm öfter einmal die Flöte zur HandŤ, ermahnte Marjorie Alheit. ťDann siehst du auch nicht mehr so bäurisch aus.Ť
ťDafür hört jeder die SchalmeiŤ, erwiderte Alheit. ťDas kann von Vorteil sein.Ť
Die beiden umarmten sich ein wenig ungelenk.
Alheit machte einen Schritt auf Katherine zu, doch diese wich zurück. ťMach dir keine Sorgen um Gottfrid, KindŤ, riet Alheit. ťWenn er die Tränen wert ist, findet er dich wieder.Ť
Das Mädchen schien sie nicht zu beachten.
Robert trieb das Maultier an, und der Wagen rollte knarrend durch das Tor. Meister Wolframs Brauner wollte hinterher, doch der Sänger hielt ihn mit einiger Mühe zurück. Während das Pferd im Kreis tänzelte, saß er auf. Alheit glaubte in dem einen Sonnenstrahl, der durch die Wolken brach, ein grünes Funkeln zu erblicken. Sie reckte den Hals, um es vielleicht ein zweites Mal zu sehen.
Gleichzeitig gab Franz einen überraschten Laut von sich.
ťWas ist?Ť Der Reiter war in die Gasse eingebogen und aus ihrem Blickfeld verschwunden.
ťDer MantelŤ, sagte Franz. ťDa fehlte ein Stück Pelz am Saum.Ť
ťJa, und?Ť, fragte Alheit unwirsch. ťWolfram ist nicht mehr so gefragt, wie er immer erzählt hat.Ť
ťMmm.Ť Franz setzte mehrmals zum Sprechen an. ťGestern
heute Nacht
Ť, begann er zögerlich. ťAls ich die Treppe hinauf wollte, ist einer an mir vorbei. Ganz schwarz, nur am Rand hat er hell geschimmert.Ť
Alheit starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. ťHeute Nacht warst du voll wie ein Dutzend FuhrknechteŤ, erwiderte sie, doch es klang ihr selbst lahm in den Ohren.
Franz zuckte die Achseln. ťVielleicht hab ich mich auch geirrt. Jedenfalls ist es mir aufgefallen, dass der helle Schimmer an manchen Stellen unterbrochen war.Ť Er wurde rot und brach ab.
ťWer weiß, was du da gesehen hast.Ť Alheit dachte an ihr eigenes Traumgesicht. Es fiel ihr schwer, Franz davon zu erzählen. Zu unglaubhaft erschien es ihr selbst. Dennoch fragte sie schließlich: ťHast du seinen Gürtel gesehen?Ť
ťGürtel?Ť Franz starrte auf die Tür zur Gaststube, als könne er durch das Holz hindurch noch die
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