Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
nicht stimmte. Absolut nicht… ich habe Ihren Namen von Schwester Marianne in Groenstadt bekommen, ich weiß nicht, ob Sie sich noch an sie erinnern. Sie hat Sie nur ein einziges Mal getroffen, aber sie kann sich noch sehr gut daran erinnern und hat mir empfohlen, das Gespräch mit Ihnen zu suchen… Marianne ist eine Tante von mir. Die ältere Schwester meiner Mutter.«
Van Veeteren runzelte die Stirn. Blätterte schnell sechs Jahre zurück in der Zeit und sah vor seinem inneren Auge plötzlich den spartanisch eingerichteten, weißgekalkten Raum, in dem er gesessen und eine Stunde lang mit dieser alten Frau gesprochen hatte. Schwester Marianne… diese katholische Schwester vom Orden der Barmherzigkeit und der frisch operierte Kriminalhauptkommissar, die gemeinsam und äußerst langsam – und voll tiefen, gegenseitigen Respekts – die letzten Fragezeichen im Fall Leopold Verhaven ausräumten. Dem Doppelmörder, der gar kein Doppelmörder war. Der unschuldig verurteilt vierundzwanzig Jahre lang im Gefängnis gesessen hatte, oh ja, er erinnerte sich noch gut an Schwester Marianne.
Und an den letzten Akt im Fall Verhaven. So gern er den auch vergessen würde.
Ich wusste, dass mich das Ganze wieder einholen würde, dachte er. Wusste, dass es eines Tages erneut hochkommen würde.
Aber auf diese Art? Sollte er tatsächlich durch die Person dieses nervösen jungen Priesters seine Schuld begleichen?
Absurd, dachte er. Nicht angemessen. Ich ziehe an zu vielen Fäden. Es gibt auch noch einen Zufall, der seine Finger im Spiel hat, nicht nur dieses verdammte Muster überall.
»Erinnern Sie sich an sie?«, wollte Gassel wissen.
Van Veeteren schaute seufzend auf die Uhr.
»Oh ja. Natürlich. Ich erinnere mich sehr gut an Ihre Tante. Eine beeindruckende Frau, zweifellos. Aber ich fürchte, die Zeit läuft uns davon. Und ich bin alles andere als überzeugt, dass ich Ihnen irgendwie behilflich sein könnte. Ich bin jahrelang einer gewissen Überschätzung unterlegen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Gassel.
»Hrrm, ja«, murmelte Van Veeteren. »Wie dem auch sei. Ich habe heute leider keine Zeit, und morgen fahre ich für drei Wochen nach Rom. Aber wenn Sie bereit sind, so lange zu warten, dann höre ich Ihnen natürlich gern zu, wenn ich wieder zurück in Maardam bin. Aber erwarten Sie nicht, dass ich Ihnen irgendwie von Nutzen sein kann.«
Gassel schaute sich die Regale an, während er nachzudenken schien. Dann zuckte er mit den Schultern und sah Van Veeteren unglücklich an.
»All right«, meinte er. »Ich habe keine andere Alternative. Wann sind Sie also zurück?«
»Am siebten Oktober«, sagte Van Veeteren. »Das ist ein Samstag.«
Gassel zog ein kleines Notizbuch aus der Innentasche und notierte sich das Datum.
»Dann erst einmal dankeschön, dass Sie überhaupt zugehört haben«, sagte er. »Ich hoffe nur, dass in der Zwischenzeit nichts passieren wird.«
Dann schüttelte er ihm wieder die Hand und verließ das Antiquariat. Van Veeteren blieb stehen und blickte der langen, gebeugten Gestalt hinterher, die am Schaufenster Richtung Gasse vorbeiging.
Ein junger Priester in Verwirrung, dachte er. Sucht Hilfe bei einem agnostischen ehemaligen Kriminalhauptkommissar. Die Wege des Herrn sind unergründlich.
Dann ging er hinaus, schloss den Laden ab und eilte zu dem auf ihn wartenden Zahnarztstuhl in der Meijkstraat.
5
Monica Kammerle saß vor dem Büro der Sozialpädagogin und wartete.
Während sie wartete, überlegte sie, warum sie eigentlich hier saß. Genau genommen gab es wohl zwei Gründe, aber die hingen nicht so recht miteinander zusammen. Oder rieben sich zumindest ein wenig aneinander.
Zum Einen hatte sie also diesem Priester versprochen, zur Schulpädagogin zu gehen und mit ihr über ihre Situation zu sprechen. Er hatte sie angefleht und ihr gedroht, und zum Schluss hatte sie es ihm zugesagt. Nicht, der Sozialpädagogin alles anzuvertrauen, das hatte dieser Pastor Gassel natürlich im Sinn gehabt, aber sie hatte nicht vor, so weit zu gehen. Wenn sie das wirklich gewollt hätte, dann hätte sie ja nicht den Umweg über die Kirche gehen müssen, das musste ihm wohl auch klar sein. Und es gab einen Unterschied zwischen Schweigepflicht und Schweigepflicht, das wusste sie schon seit langem.
Die ganze Sache war ihm äußerst unangenehm gewesen, das hatte sie auch bemerkt. Sie hatte ihm zu erklären versucht, dass vieles von außen schlimmer aussieht als von innen, aber das hatte er nur zur Seite
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