Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
herrschte kaum Zweifel an der Sache. Ihre Mutter war nicht diejenige, die verbarg, was sie dachte und schätzte. Nicht gegenüber ihrer Tochter. Gab sich wohl auch sonst nie große Mühe, mit etwas hinterm Berg zu halten, auch wenn das manchmal nicht geschadet hätte.
Und jetzt wollte sie Benjamin Kerran weiterhin treffen. Monica hatte die ersten Risse von Unsicherheit in ihrer Stabilität bemerkt, aber je weiter die Erlebnisse des Sonntagmorgens in die Ferne rückten, umso überzeugter war sie, dass sich alles vielleicht auf irgendeine Weise regeln lassen würde.
Dass ihre Mutter und Benjamin Kerran vielleicht eine ganz normale Beziehung aufbauen würden, und dass dieses peinliche Dreieck der ersten Zeit bald in Vergessenheit geraten würde.
Warum nicht?, dachte sie erneut und überlegte gleichzeitig, ob es sein könnte, dass man ein Problem einfach nicht wahrnahm, wenn man leicht manisch war.
Wie sie sich verhalten sollte, wenn sie Benjamin Kerran das nächste Mal treffen würde, das war ihr noch nicht klar.
Und sie hatte auch keine Lust, darüber nachzudenken. Das würde sich schon zeigen, wie man so sagte. Und wie würde er sich verhalten?
Sie spürte, wie sich die Rückenlehne des Stuhls hart an ihren Rücken presste. Sie hatte keine Lust mehr, hier herumzusitzen.
Nun zeig endlich grün, du blöde Lampe!, dachte sie wütend, und wie durch ein telepathisches Wunder tat sie das auch.
»Hoppla«, flüsterte Monica Kammerle vor sich hin. Stand auf und trat durch die Tür.
Es ging leichter, als sie erwartet hatte.
Bedeutend leichter. Die Sozialpädagogin hörte ihrer Beschreibung der Schulsituation und ihrem Lösungsvorschlag der Probleme zu. Nickte aufmunternd und versprach, noch am selben Nachmittag Kontakt mit dem Joannisgymnasium aufzunehmen und nachzufragen, ob es dort einen Platz gab. Und Monica sollte am nächsten Tag zur gleichen Zeit wieder vorbeischauen, um zu hören, ob es klappte.
Man könnte meinen, sie wollte mich loswerden, kam ihr in den Sinn, als sie zurück im Klassenzimmer war, aber sie schob den Gedanken beiseite.
Und als sie am folgenden Tag wieder auf dem gesprächsfreundlichen grünen Sofa saß, erklärte die Sozialpädagogin, dass alles geregelt sei. Monica könnte im Prinzip bereits am Freitag das Joannisgymnasium besuchen, es gab dort eine Biologieklasse mit nur dreiundzwanzig Schülern, und wenn sie meinte, es würde ihr dort gefallen, dann brauchte sie nur dorthin überzuwechseln.
Sie bekam den Namen einer anderen Sozialpädagogin, die ihr dort helfen sollte, dann konnte sie das Wochenende dazu nutzen, die Eindrücke sacken zu lassen und sich zu entscheiden.
So einfach ist das, dachte Monica Kammerle. Aber vielleicht war es so, wenn man sich nur erst einmal entschlossen hatte, die Dinge anzupacken.
Und von Benjamin Kerran war mit keiner Silbe die Rede gewesen.
Am gleichen Abend, am Donnerstag, dem 21. September, erkannte sie sichere Zeichen dafür, dass ihre Mutter auf dem Weg bergab war. Als sie aus der Schule kam, lag ihre Mutter im Bett und döste vor sich hin. Monica weckte sie und erzählte ihr, dass sie beschlossen habe, die Schule zu wechseln, dass sie am nächsten Tag nach Löhr rausfahren werde, aber die Mutter nickte nur und murmelte, dass das wohl das Beste sei.
Sie habe einen Anfall von Halsschmerzen bekommen, behauptete sie, und sie hatte den heutigen Kurs versäumt. Das sei übrigens ein Scheißkurs, also sei es sowieso egal.
Sie hatte nicht eingekauft, wenn Monica etwas zu essen haben wollte, müsse sie halt in den Laden gehen oder im Gefrierschrank nachgucken. Sie selbst hatte keinen Hunger.
Es gab kein Geld in der Haushaltskasse, nur drei erbärmliche Gulden, also machte Monica sich ein Omelett und ein Brot. Als sie fertig gegessen und abgewaschen hatte, klingelte das Telefon. Sie wartete, ob ihre Mutter drangehen würde, aber offensichtlich hatte diese den Stecker im Schlafzimmer herausgezogen. Monica lief ins Wohnzimmer und nahm den Hörer ab.
Es war Benjamin.
Er saß unten auf der Straße in seinem Auto mit dem Handy in der Hand, wie er sagte. Fragte, ob sie etwas dagegen habe, ihn zu sehen und ein bisschen zu reden. Es wäre doch nicht schlecht, das eine oder andere aus der Welt zu räumen.
Sie zögerte eine Weile. Rechnete dann hastig nach und stellte fest, dass elf Tage vergangen waren, seitdem er sich aus ihrem Zimmer geschlichen hatte.
Dann sagte sie ja.
Unter der Voraussetzung, dass es nicht zu lange dauerte, fügte sie hinzu. Sie habe noch
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