Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
ihm die Hand und ließ ihn allein.
Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, zögerte er für einen Moment. Dann rollte er den Schreibtischstuhl ans Fenster. Goss sich noch eine Tasse Kaffee aus der Thermoskanne ein, nahm den Teller mit den Mandelhörnchen auf den Schoß und legte die Füße auf das Fensterbrett.
Blieb dort so sitzen, wartete auf die Sonne und begann, die Konturen eines Mörders zu erahnen.
Van Veeteren erwachte mit einem Ruck und schaute sich um.
Rechts Bücher. Links Bücher und direkt vor ihm auch Bücher.
Kein Zweifel. Er saß im Sessel im Antiquariat und war eingeschlafen. Eine zur Hälfte leere Kaffeetasse stand auf der Sessellehne. Er schaute auf die Uhr. Kurz vor fünf. Also hatte er höchstens eine Viertelstunde geschlafen, wie immer.
Hatte die Türglocke geläutet? Er glaubte es nicht, und als er in den Laden hinein lauschte, hörte er nichts. Aber etwas war doch da. Musste da sein. Er war unnötig brutal aus einem Traum gerissen worden, irgendein Detail, eine kleine Erinnerung. Er hatte das Gefühl, als läge es ihm auf der Zunge, wenn er sich nur an den Traum erinnern könnte, dann müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn nicht…
Blake!
Das war es. William Blake lag auf seiner Zungenspitze, und dieser Name war so verdammt wichtig, dass er ihn nicht unter dem zarten Schleier des Schlafs zurücklassen konnte. Weder den Namen noch sich selbst. Merkwürdig.
Blake?
Er brauchte fünf Sekunden, um den Zusammenhang zu begreifen.
Monica Kammerle – William Blake – Maarten deFraan.
Er blieb noch eine Weile sitzen, ohne auch nur einen Muskel zu rühren, während er versuchte, die Haltbarkeit dieser Gedankenkette zu überprüfen.
Kammerle – Blake – deFraan.
Erinnerte sich daran, wie er
Songs of Innocence and of Experience
an diesem Tag vor fünf, sechs Monaten durchgeblättert hatte, als er die Wohnung in der Moerckstraat aufgesucht hatte. Erinnerte sich, wie überrascht er gewesen war, so einen Autor unter der Lektüre eines sechzehnjährigen Mädchens zu finden.
Außerdem war es eine schöne Ausgabe gewesen, das fiel ihm auch noch ein. Kein billiges Taschenbuch, es musste einiges gekostet haben. Nichts, was ein Mädchen mal schnell im Buchladen von ihrem Taschengeld kaufte.
Ein Geschenk?
Das war eine höchst wahrscheinliche Annahme.
Von einer Person, der die englische Literatur am Herzen lag?
Das war auf jeden Fall denkbar.
»Professor deFraan«, brummte er und stand auf. »Wie lautete doch die Zeile?«
Rude thought runs wild in contemplation’s field
?
Zumindest etwas mit dem wahren Sinn. Er ging in die Ladenräume und kontrollierte, dass sie kundenfrei waren. Lief dann zurück in die Kochnische und setzte erneut Kaffeewasser auf.
Was tun?, dachte er. Wie konnte dieses neue, plötzlich auftauchende kleine Puzzleteilchen ausgenutzt werden?
Potenzielle
Puzzleteilchen jedenfalls.
Noch ein Schriftsteller. Noch eine Art literarischer Anhaltspunkt. War das nicht überzeugend?
Oder war er es nur selbst, der dieses Muster konstruierte, diese Verknüpfungen – auf der Grundlage irgendeiner Form von merkwürdiger Berufskrankheit? Warum nicht? Bücher sind der lange Weg zur Weisheit und der kurze zum Wahnsinn, wie irgendein verkanntes Genie es einmal ausgedrückt hatte.
Schwer zu entscheiden. Um nicht zu sagen: unmöglich. Besser, eine Methode finden, um die Haltbarkeit des ganzen Mistes zu überprüfen!, dachte er wütend und goss Wasser über das Kaffeepulver. Blake!
Wie?
Wie
? Was für eine verdammte Methode denn?
Obwohl er nur ein alter, gerade erwachter Antiquar mit höchst zweifelhaften geistigen Fähigkeiten war, brauchte er nicht lange, um die Antwort zu finden. Eine halbe Tasse Kaffee und eine Zigarette in etwa.
Er nahm den Telefonhörer ab und rief Münster im Polizeipräsidium an.
Der Kommissar war für heute gegangen, wie er erfuhr.
Er wählte dessen Privatnummer.
Er war noch nicht nach Hause gekommen, erklärte ihm der Sohn.
Verfluchter Trödler, dachte Van Veeteren, sagte es aber nicht. Bat stattdessen den Sohn, den Vater zu grüßen und ihm mitzuteilen, dass er sofort in Krantzes Antiquariat anrufen solle, sobald er seine Nase zur Tür hereingesteckt hätte.
»Die Nase?«, wunderte Bart sich.
»Sobald er zu Hause ist«, erklärte Van Veeteren.
Während er wartete, kontrollierte er durch das Ladenfenster die Wetterlage. Es regnete.
Merkwürdig, dachte er. Schien nicht die Sonne, als ich im Sessel eingeschlafen bin?
Es dauerte eine
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