Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
halbe Stunde, bis Münster von sich hören ließ, und seine einzige Entschuldigung war, dass er auf dem Heimweg noch eingekauft hätte. Van Veeteren schnaubte, ließ aber Gnade vor Recht ergehen.
»Wo ist ihr Hausrat?«, fragte er.
»Wessen?«, erwiderte Münster.
»Die Sachen aus der Moerckstraat natürlich. Denk mal nach! Die von Mutter und Tochter Kammerle hinterlassenen Sachen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Münster.
»Du weißt nicht? Was bist du denn für ein Ermittlungsleiter!«
»Vielen Dank… sind wohl irgendwo eingelagert, wie ich mir denke. Warum… ?«
»Weil wir zusehen müssen, an sie ranzukommen.«
Schweigen in der Leitung.
»Ist der Herr Kommissar noch da?«
»Ja… natürlich bin ich noch da«, versicherte Münster. »Und warum müssen wir an den Hausrat rankommen?«
»Weil wir dort den entscheidenden Beweis finden können.«
»Ach, wirklich?«, sagte Münster routiniert.
»Ein Buch«, präzisierte Van Veeteren. »Das Mädchen hatte ein Buch von William Blake in ihrem Regal, und ich habe das Gefühl, dass der Würger seine Fingerabdrücke darin hinterlassen hat.«
Erneutes kurzes Schweigen.
»Woher kann der Hauptkom… woher kannst du das wissen?«
»Das ist keine Frage von Können, Münster! Ich habe das Gefühl, habe ich gesagt. Ist ja auch gleich. Sieh zu, dass du das Buch kriegst, wo immer es sich befinden mag, und sieh zu, dass die Fingerabdruckfuzzis ihre Arbeit machen! Du wirst in ein paar Tagen einen anderen Fingerabdruck kriegen, mit dem du sie dann vergleichen kannst. Wenn die übereinstimmen, ist die Sache gelaufen!«
Münster hatte erneut für eine Weile nichts zu sagen. Van Veeteren konnte aber seinen Atem am anderen Ende der Leitung hören. Er klang etwas erkältet. Oder vielleicht aufgeregt.
Oder skeptisch?
»DeFraan?«, fragte er schließlich. »Du sprichst von Professor deFraans Fingerabdruck?«
»Richtig geraten«, sagte Van Veeteren und legte auf.
Er wartete einige Minuten ab.
Dann rief er Winnifred Lynch an – die schon seit einiger Zeit von der Arbeit und dem Krankenhaus nach Hause gekommen war – und gab ihr neue Anweisungen und Verhaltensvorschriften.
Nein, keine Vorschriften. Frauen von Winnifred Lynchs Kaliber macht man keine Vorschriften, dachte er. Man bittet sie vielmehr um Hilfe. Und ermahnt sie, vorsichtig zu sein.
Nach all diesen verzwickten Bluthund-Arbeiten trank er seinen kalt gewordenen Kaffee aus, verschloss den Laden und wanderte durch den Regen nach Hause.
47
Samstag und Sonntag stand die Zeit still.
Zumindest erlebte er es so. Der Regen kam und ging, das Tageslicht wurde von dem nassen Boden aufgesogen, und ihm wurde ernsthaft klar, wie tief er in die Jagd nach dem Mörder verwickelt war. Ob dieser nun Maarten deFraan oder ganz anders hieß.
Wieder einmal. Wieder einmal ein Übeltäter, der geschnappt werden musste. Es war kein Problem, sich vorzustellen, dass das wohl nie ein Ende nehmen würde.
Am Samstagabend spielte er im Vereinslokal mit Mahler Schach und verlor beide Partien einzig und allein auf Grund seiner mangelnden Konzentration. Obwohl Mahler frisch am Bein operiert war. Trotz eines dankbaren nimzo-indischen Zugs.
Am Sonntag hatte er sich wie üblich nachmittags um Andrea gekümmert, aber nicht einmal während dieser Stunden konnte er deFraan aus seinen Gedanken verdrängen. Ulrike fragte ihn, was denn mit ihm los sei, und schließlich gab er auf und versuchte zu erklären, worum es ging.
Die Jagd. Die Witterung. Die Beute.
Er erwähnte nichts von dem moralischen Imperativ. Nichts von der Pflicht. Stattdessen war sie es, die diesen Aspekt ins Spiel brachte, und er war ihr dankbar dafür. Er hatte immer Probleme damit gehabt, die guten Beweggründe in sich selbst zu entdecken. Oder ihnen zumindest zu vertrauen.
Als das Essen beendet und Marlene und Andrea sie allein gelassen hatten, ging er ans Telefon und wählte deFraans Privatnummer.
Keine Antwort.
Vielleicht gut so, dachte er. Er war sich nicht sicher, was er gesagt hätte, wenn jener an den Apparat gegangen wäre.
Nach dem Abwasch und den Fernsehnachrichten trieb er sich eine Weile wie ein unruhiger Geist in der Wohnung herum. Erklärte schließlich Ulrike, dass er einen Spaziergang machen müsse, um seinen Kopf frei zu kriegen, nahm den Regenmantel und ging hinaus.
Ist wohl das Beste für sie, mich eine Weile los zu sein, dachte er.
Er begann mit einer Runde über den Friedhof und entzündete ein Licht auf Erichs Grab, und da es doch ganz in der Nähe lag
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