Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
Zukunft verschwanden, als er im Fahrstuhl zu seinem Arbeitszimmer im vierten Stock hochfuhr. Es war wie immer. Der Fahrstuhl war die Schleuse zwischen dem Leben und der Arbeit. Mit den Jahren – und besonders, seitdem er draußen in Frigge das Messer in die Niere bekommen hatte – hatte er gelernt, diese beiden Bereiche zu trennen. Keine Ermittlungsunterlagen mit nach Hause zu nehmen. Nicht vor dem Fernseher darüber zu grübeln, oder wenn er Bart bei den Hausaufgaben half. Oder Marieke laut vorlas. Oder wenn Synn seine ganze Anwesenheit forderte.
Und eben auch keine Arbeit vor dem Fahrstuhl zwischen Garage und Dienstraum durchzulassen. Das war natürlich leichter gesagt als getan, aber Beharrlichkeit führt ans Ziel, das war auch so eine Sache, die er langsam einsah.
An diesem Morgen, dem 25. Februar 2001, war es das Gespräch mit Van Veeteren, das sich als Erstes in seinem Kopf einstellte. Natürlich.
Der
Hauptkommissar
hatte ihn am vergangenen Abend gegen neun Uhr angerufen. Sie hatten fast eine halbe Stunde lang miteinander gesprochen, eine ziemlich sonderbare Konversation – das hatte er bereits gedacht, als sie noch stattfand –, bei der die alten Rollen mit Van Veeteren als knurrendem Vorgesetzten und ihm selbst als eine Art untergebener Sparringspartner für Ideen und Gedanken – diese Rollen, die sich im Laufe vieler Jahre bei beiden fest eingespielt hatten – sich jetzt auf irgendeine Weise verschoben zu haben schienen. Zumindest anfangs.
Münster selbst war der Ermittlungsleiter (in Reinharts Abwesenheit). Van Veeteren spielte Privatschnüffler (seine eigene Formulierung). Mit ziemlich wenig Erfolg, ehrlich gesagt, hmm… kam sich vor wie ein rheumatisches Huhn beim Flugunterricht, so die Einschätzung des
Hauptkommissars
selber.
Zu Beginn des Gesprächs hatte er fast demütig geklungen, und das war nicht gerade üblich. Er hatte seine Zweifel hinsichtlich Professor deFraan beschrieben, von seinen Aktivitäten berichtet und insgesamt nicht besonders optimistisch geklungen. Bis er zu diesem merkwürdigen Zwischenfall mit der muslimischen Frau gekommen war, erst dann hatte er mehr Biss gezeigt.
Und das war ja auch eine verblüffende Sache, da konnte Münster ihm nur Recht geben. Warum um alles in der Welt sollte eine verschleierte Frau hinter deFraan herschleichen, als würde sie ihn beschatten? Auf den ersten Blick erschien das unbegreiflich, andererseits wusste man ja bis jetzt so gut wie überhaupt nichts über deFraans Gewohnheiten. Auch wenn das Bizarre des Ganzen offensichtlich war, musste das noch nicht darauf hindeuten, dass deFraan wirklich die Person war, nach der sie suchten. Ganz und gar nicht, darin waren Van Veeteren und Münster sich einig gewesen. Schließlich hatte ja wohl jeder das Recht, von einer verschleierten Frau verfolgt zu werden? Wenn man die Veranlagung dazu hatte.
Der wichtigste Aspekt des Gesprächs war für Münster aber nicht diese mysteriöse Frauengestalt gewesen, sondern die Tatsache, dass der
Hauptkommissar
sich die Freiheit genommen hatte, einen Besucher vorzuladen.
Bereits für den folgenden Tag. Das heißt – heute, dachte Münster und schaute auf seine Armbanduhr.
Bereits um zehn Uhr. Das heißt – in zwanzig Minuten.
Auf Grund dieser engen Zeitspanne hatte Van Veeteren sich gezwungen gesehen, den Familienfrieden so spät am Abend mit einem Telefonanruf zu stören. Er hatte sich bemüht, diese Tatsache sehr genau zu erklären… etwas Ähnliches wäre ihm unter normalen Umständen niemals eingefallen, das hatte er ein- oder zweimal betont. Aber so war es nun einmal.
Nein, dachte Münster, wie früher hat er wirklich nicht geklungen.
Der Name der Besucherin war Ludmilla Parnak.
Sie war eine alte Bekannte von Professor deFraan und war zu einem Gespräch mit Kommissar Münster bereit, da sie sich sowieso an diesem Tag in Maardam befand. Normalerweise wohnte sie in Aarlach, es war also ein Wink des Schicksals oder Gottes Zeigefinger, dass Winnifred Lynch sie ausgerechnet jetzt in der Stadt getroffen hatte, wie Van Veeteren betonte.
Halb ironisch, halb ernst, soweit Münster es beurteilen konnte. Inwieweit er selbst eine Meinung über Gottes Zeigefinger hatte, behielt er lieber für sich.
Die letzten fünf Minuten des Gesprächs hatten teilweise die alten, eingeschliffenen Positionen zwischen dem
Hauptkommissar
und dem Kommissar wiederhergestellt. Van Veeteren hatte ihm minutiöse Anweisungen gegeben, sowohl hinsichtlich der etwas schwierigen Situation
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