Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
begann zu schwanken, und die Übelkeit kam wie auf Bestellung.
»Entschuldige«, konnte sie noch hervorbringen. »Mir geht’s nicht gut.«
Sie schob ihn von sich und eilte zur Toilette.
Es dauerte eine Weile, und als sie wieder ins Wohnzimmer kam, konnte sie ihn nicht entdecken. Ist er gegangen?, dachte sie und trat auf den Balkon. Das wäre schön.
Ihr Kopf war klarer, nachdem sie sich übergeben hatte, sich gewaschen und die Zähne geputzt hatte. Zu ihrer Verwunderung musste sie feststellen, dass sie einen wildfremden Mann mit zu sich nach Hause geschleppt hatte. Zwar war er nett und auf gewisse Weise sehr erfrischend, aber es gab nun einmal Grenzen, wie Birthe immer zu betonen pflegte. Kristine hatte seit Ditmar mit keinem Mann mehr geschlafen, und das war jetzt drei Monate her, und die Frage stand natürlich ganz oben auf der Prioritätenliste für den Sommer. Aber es war nicht geplant, dass es so ein One-night-stand sein sollte. Ein Konferenz-Heini, den sie bei Dorrit’s aufgegabelt hatte! Oh Scheiße.
Sie stützte sich mit den Händen am Geländer ab und sog die Wärme der Sommernacht in die Nasenflügel ein. Wie schön, dachte sie. Den ganzen Sommer frei und ab August einen festen Job! Du hast was aus deinem Leben gemacht, Kristine Kortsmaa. Richtig gut ist es gelaufen.
Da hörte sie ihn in der Wohnung. Sie holte noch einmal tief Luft und ging zu ihm hinein. »Es tut mir Leid…«, setzte sie an.
»Was?«
Er lag auf dem Sofa in der dunkelsten Ecke des Zimmers, deshalb hatte sie ihn nicht schon vorher entdeckt. Plötzlich bewegte er sich, nur ein klein wenig, aber die glänzende Haut blitzte auf, und ihr war klar, dass er nackt war.
»Ich glaube, wir brechen das Ganze hier ab«, sagte sie. »Es war dumm von mir, dich zu bitten, mitzukommen. Bitte entschuldige, dass ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe, aber sei so gut und zieh dich jetzt an.«
Er antwortete nicht, bewegte sich auch nicht.
»Leider«, sagte sie. »Ich war etwas betrunken, deshalb habe ich nicht mehr klar denken können. Es war nicht geplant, es so weit kommen zu lassen.«
Sie fand seine Kleider auf einem der Sessel.
»Hier. Zieh dich bitte an. Willst du eine Tasse Kaffee, bevor du gehst?«
Er setzte sich auf.
»Ich will keinen Kaffee.«
Er klang weder verletzt noch wütend. Der leichte Hauch von Drohung, den sie sofort bemerkte, lag nicht in der Stimme, sondern in den Worten.
»Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass ich zu dieser Uhrzeit keinen Kaffee trinken will«, erklärte er und stand auf, ohne sich um seine Kleidung zu kümmern. Er machte zwei Schritte auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern. Blieb einen Moment stehen, als könnte er sich nicht entschließen, und sie überlegte, wie sie ihr Nein noch deutlicher machen könnte. Gleichzeitig fühlte sie sich strohdumm und hatte ein schlechtes Gewissen wegen ihres Verhaltens. Schließlich war sie es gewesen, die im Dorrit’s die Initiative ergriffen hatte. Sie war es gewesen, die weiter mit ihm hatte tanzen wollen – und nicht nur um sich gegen diesen Typen zu schützen, das hatte sie ihm mehrfach versichert. Und sie war es gewesen, die ihn nach einem Spaziergang durch die Stadt zu sich eingeladen hatte.
Da war es nicht besonders überraschend, dass er ein wenig enttäuscht war.
»Es tut mir Leid«, wiederholte sie.
»Wie schade«, sagte er. »Darf ich dir dann wenigstens ein bisschen die Schultern massieren? Ich glaube, das würde dir gut tun.«
Sie zögerte, aber noch bevor sie mit Ja oder Nein antworten konnte, war er schon hinter ihr. Schob ihr Haar beiseite und begann, mit den Fingern ihre nackten Schultern abzutasten. Aber er massierte nicht. Er verfolgte nur die scharfen Ränder des Schlüsselbeins zum Hals hin in einer ganz leichten Berührung. Sie merkte, wie er zitterte.
Merkte, wie sie selbst den Atem anhielt.
»Meine Fingerspitzen…«, sagte er, »meine Fingerspitzen sind wie kleine Seismographen. Sie registrieren alles, was dein Körper fühlt, deine Gedanken auch, ist das nicht merkwürdig?«
Sie beschloss, dass es jetzt genug war, aber da war es schon zu spät.
Viel zu spät für Kristine Kortsmaa.
Maardam,
November 2000
20
Van Veeteren hob die Pappkartons vom Tresen und packte die Bücher aus.
Insgesamt vierzig Stück, wie Professor Baertenow erklärt hatte. Mehr konnte er auf einmal nicht tragen. Varia, konnte man wohl sagen, aber das meiste Romane in fremden Sprachen.
Eine Schande, dass man das weggeben musste, hatte
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