Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
am Türrahmen herumzufummeln. Er streicht über Teile, die etwas hervorstehen und dann …
»Was bin ich doch blöd!«, ruft er plötzlich. »Haltet mich mal fest«, sagt er, während er seine Krücke gegen die Wand lehnt. »Ich glaube, das ist einfacher, als es aussieht.«
Als er gleichzeitig auf den Mond und die Sonne drückt, hört man ein Knacken, das aus dem Inneren zu kommen scheint.
»Die Alchemisten haben andere Schlüssel benutzt als wir«, sagt Hinkebein und schiebt vorsichtig die beiden schweren Türflügel auf. »Die Kerle waren ziemlich schlau.«
Staunend leuchte ich mit der Stablampe in das Innere des angrenzenden Kellerraumes. Es ist mehr ein lang gestreckter Gang, vollgestellt mit Bildern und Statuen.
Wir wagen uns vorsichtig hinein. Ganz hinten kann man eine weitere Tür erahnen, aber als wir näher kommen, werden wir enttäuscht.
»Das ist nur eine Mauer«, stelle ich fest. »Hier kommen wir nicht weiter.«
»Doch«, widerspricht Hinkebein, »es gibt bestimmt eine Möglichkeit, die Mauer zu bewegen. Man muss nur herausfinden, wie. Seht mal da, an den Seiten, der schmale Spalt – ich bin mir sicher, dass man sie aufschieben kann. Das ist eine Geheimtür!«
Hinkebein hat recht, aber es gibt nichts, wo man ansetzen könnte. Nichts, woran man ziehen oder worauf man drücken könnte. Keine Chance, die Mauer lässt sich nicht bewegen.
»Es muss einen Mechanismus geben«, beharrt Hinkebein. Er fährt mit der Hand über die gesamte Fläche, sucht nach irgendeiner Ritze oder Spalte. »Da muss doch …«
Abrupt hält er inne, blickt nach oben, nimmt seine Krücke und drückt mit der Spitze auf einen Stein, der älter aussieht als die anderen, abgenutzter.
Klick! Unendlich langsam bewegt sich die Mauer nach rechts.
»Wusste ich’s doch! So funktionieren die uralten Mechanismen«, erklärt Hinkebein. »Ein System, bei dem Zahnräder von Gewichten in Gang gesetzt werden. Sehr langsam, aber unverwüstlich.«
Eine Minute später ist der Weg frei.
Im Licht meiner Stablampe sieht man einen reich geschmückten Raum: Fähnchen, die von der Decke herabhängen, Lampen, Bilder an den Wänden, Tücher und hübsche Kissen, die einen hohen steinernen Thron verschönern, daneben Lanzen, Schwerter, Schilde … Und in der Mitte ein Sarg aus weißem Marmor. Ein mittelalterlicher Sarkophag!
»Es scheint, als befänden wir uns im Herzen des dritten Kellers«, sagt Hinkebein. »Das muss Sombra mit den Tiefen der Stiftung gemeint haben. Ihr wichtigster Schatz!«
Wir treten näher an den Sarkophag heran. Er ist mit kunstvoll gemeißelten Reliefbildern verziert. Auf der rechten Seite sind Buchstaben eingraviert, die anderen drei Seiten sind glatt, schmucklos, so als würden sie darauf warten, bearbeitet zu werden.
»Dadrin liegt eine Leiche«, sagt Hinkebein. »Schaut euch mal die Figur an.«
Tatsächlich! Auf dem Sarkophag liegt eine Statue, ebenfalls aus weißem Marmor. Es handelt sich um eine Frau. Ihre geöffneten Augen blicken zum Himmel. Die Hände sind über der Brust gefaltet. Auf dem Kopf trägt sie eine wunderschöne Krone und ihre langen Haarsträhnen sehen aus wie Sonnenstrahlen. Sie trägt ein prachtvolles Gewand, das in wellenförmigen Falten herabfällt. Ihre würdevolle Haltung erinnert mehr an eine meditierende Frau als an eine Tote. Paradoxerweise vermittelt die liegende Statue das Bild eines lebenden, hoffnungsfrohen Menschen.
»Ich bin sicher, sie könnte aufstehen, wenn man es ihr befehlen würde«, flüstert Metáfora. »Sie sieht aus, als würde sie nur darauf warten.«
»Stimmt«, sagt Hinkebein. »Der Künstler hat es fertiggebracht, die Lebensfreude der Frau einzufangen, die sie zu Lebzeiten besessen hat … Aber wer ist sie?«
Wir beugen uns über die Inschrift, die sich auf der rechten Seite befindet. Die Buchstaben gleichen denen, die wir eben auf den Pergamenten gesehen haben:
Hier ruht Königin Émedi, Gemahlin des Arquimaes, Mutter von Arturo und Gründerin von Arquimia. Am Ende der Zeiten werden sie sich wiedertreffen .
Metáfora und ich sehen uns sprachlos und entgeistert an. Eine Königin namens Émedi, die einen Sohn namens Arturo hatte und mit Arquimaes verheiratet gewesen war! Königin Émedi, die in meinen mittelalterlichen Abenteuern auftaucht! Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr: Meine Träume sind alles andere als dummes Zeug!
Metáfora fängt langsam an zu begreifen. Sie kommt zu mir und drückt mich fest an sich. Es tut ihr ganz offensichtlich leid, was sie früher
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