Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
Crispín das Hochplateau der Weißen Berge. Sie waren so erschöpft, dass sie das Rudel Wölfe nicht bemerkten, das ihnen schon seit geraumer Zeit folgte.
»Die Landschaft kommt mir vertraut vor«, sagte Arturo und zeigte auf einen schneebedeckten Berg, der sich am Horizont abzeichnete. »Wir waren schon einmal hier, nicht wahr?«
»Ja, wir befinden uns im Tal von Ambrosia«, antwortete Arquimaes. »Gleich werden wir das Kloster sehen.«
»Aber Ambrosia existiert doch nicht mehr«, warf Crispín ein. »Demónicus’ Männer haben es zerstört.«
»Was wir suchen, ist ganz bestimmt nicht zerstört«, versicherte der Weise. »Es wird die Jahrhunderte überdauern.«
»Was kann an so einem einsamen Ort für uns von Interesse sein?«, fragte Arturo. »Hier gibt es kein Leben, hier gibt es nichts.«
»Sag das nicht, Arturo. Leben entsteht immer und überall. Sogar die Elemente haben ein eigenes Leben. Das ist das Wunder der Erde.«
Unerwartet kam ein Schneesturm auf und sie mussten in einer Felshöhle Zuflucht suchen. Sie machten ein kleines Feuer und kochten Bohnen mit Fleisch. So kamen sie wieder zu Kräften. Da die Gefahr bestand, entdeckt und überfallen zu werden, taten sie kein Auge zu und warteten geduldig auf den anbrechenden Tag. Am nächsten Morgen war keine Wolke mehr zu sehen und die Sonne stand goldgelb am Himmel. Es versprach ein schöner Tag zu werden.
Nach dem Frühstück stiegen sie wieder auf die Pferde und die letzte Etappe ihrer Reise begann.
Gegen Mittag, als die Sonne gerade ihren höchsten Stand erreichte, erblickten sie den Ort, an dem vor noch gar nicht langer Zeit Ambrosia gestanden hatte, die Abtei der geschicktesten Kalligrafen der Welt.
»Ich weiß nicht, ob ich den Anblick der Überreste von Ambrosia ertrage«, gestand Arturo. »Das zerstörte und verlassene Kloster zu sehen wird mir das Herz zerreißen.«
»Arturo, mein Freund, mir geht es nicht anders, glaube mir«, tröstete ihn Arquimaes. »Ich würde gerne wissen, was aus meinen Brüdern geworden ist und aus den Mönchen, die es nicht nach Emedia geschafft haben.«
Crispín fühlte sich mit dem Kloster nicht so eng verbunden wie seine Gefährten. Er hörte ihnen ein wenig erstaunt zu, denn für ihn war Ambrosia nichts weiter als ein Haufen Steine gewesen, in dem Mönche gelebt hatten.
»Seht mal, Meister, da drüben, die höchste Mauer von Ambrosia«, sagte Arturo kurz darauf. »Sie wenigstens steht noch.«
»Ja, einige Mauern sind erhalten geblieben«, stimmte Arquimaes zu. »Ambrosia stand auf soliden Fundamenten.«
»Da ist Rauch!«, rief Crispín. »Aber doch wohl nicht von dem Brand. Dafür ist zu viel Zeit vergangen.«
Überraschenderweise entdeckten sie Zeichen von Leben in und vor den Ruinen. Einige Menschen hatten offenbar ein paar Hütten errichtet, andere hatten die Mauerreste zu ihrem Heim gemacht.
»Was habe ich dir gesagt?«, bemerkte Arquimaes. »Immer und überall wird neues Leben geboren. Wo das Feuer einen Ort des Friedens vernichtet hat, entsteht jetzt vielleicht ein wohlhabender Marktflecken. So etwas kann niemand vorhersagen.«
»Man muss verrückt sein, um sich an so einem gottverlassenen Ort niederzulassen«, sagte Crispín. »Diese Leute wissen nicht, was sie tun.«
»Warum denn nicht?«, widersprach der Alchemist. »Hier gibt es alles, was man zum Leben braucht: fruchtbares Land, einen Fluss, gesunde Luft … Man hat schon in unwirtlicheren Gegenden blühende Ortschaften errichtet. Es ist alles eine Frage der Zeit. Und außerdem ist die Lage strategisch gut gewählt, man ist sicher vor Überfällen.«
Um keinen Verdacht zu erregen, machten die drei Freunde eine halbe Meile vor den Ruinen halt. Im Schutze eines großen Baumes, direkt neben einem Fluss, konstruierten sie aus ihren Decken ein Zeltdach. Dann befreiten sie die Pferde von ihren Lasten und Crispín gab ihnen zu fressen und zu saufen.
Nach einer Stunde gingen sie zu Fuß zu der Stelle, an der sich die meisten Menschen aufhielten. Ganze Familien hausten in den Ruinen und hatten dort, wo die Steine, Mauern und Balken nicht ganz verkohlt waren, ein Zuhause gefunden.
»Wer sind sie?«, überlegte Crispín. »Woher kommen sie?«
»Das sind Bauern, die man ins Unglück gestürzt hat«, erklärte Arquimaes. »Sie sehen hier eine Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen. Mittellose Leute, vom König verfolgt, Unglückliche, die nicht wissen, wohin. Wir leben in einer Zeit, in der viel Ungerechtigkeit herrscht. Es gibt zu viele arme
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