Die Schwarze Armee 01 - Das Reich der Träume
Inventur aus. Eine Inventur ist die Basis für gute Geschäfte.«
»Wir haben schon seit Jahren keine mehr gemacht«, fügt mein Vater hinzu. »Es ist höchste Zeit. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nicht mal mehr weiß, wie viele Bücher wir überhaupt haben.«
»Viele berühmte Leute sind im Elend gestorben, nur weil sie keine Ordnung halten konnten und von den Schulden erdrückt wurden«, sagt Stromber und nippt an seinem Champagner.
»So ist es, und ich möchte nicht so enden wie sie«, antwortet mein Vater. »Das muss ein furchtbares Ende sein.«
Mahania kommt mit dem Essen. Sie sagt nichts, doch ich sehe an ihren Augen, dass etwas nicht stimmt. Sie ist schlecht gelaunt, aber ich weiß nicht, was sie hat.
»Arturo, dein Vater hat mit mir über dein Problem gesprochen«, sagt Stromber. »Wenn du willst, können wir einen Freund von mir aufsuchen, einen Arzt, der dir vielleicht helfen könnte. Er ist ein hervorragender Hautspezialist.«
Ich werfe meinem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu. Er weiß doch, dass er mit niemandem darüber reden soll.
»Sei ihm nicht böse«, versucht mich der Antiquitätenhändler zu beschwichtigen. »Dein Vater und ich verstehen uns sehr gut, ich gehöre jetzt sozusagen zur Familie. Du kannst mir vertrauen. Ich werde niemandem davon erzählen, das verspreche ich dir. Aber wie gesagt, wenn du willst, können wir zu meinem Freund nach New York fliegen. Er kann bestimmt etwas für dich tun. Es ist nicht ganz billig, aber mach dir darum keine Sorgen. Dein Vater und ich werden diese Kleinigkeit schon regeln. Nicht wahr, Arturo?«
»Das können wir uns doch gar nicht leisten!«, erwidere ich traurig. »Außerdem komme ich ganz gut damit klar.«
»Arturo, das ist nicht wahr. Die Zeichnung auf deinem Gesicht macht dir großen Kummer«, sagt mein Vater und zeigt auf den Drachenkopf auf meiner Stirn. »Er lässt dir keine Ruhe. Er ist auch der Grund dafür, dass du keine Freunde hast. Wir müssen etwas dagegen tun!«
»Nun übertreib mal nicht. Das ist nicht schlimmer als eine Warze«, entgegne ich.
»Nicht schlimmer als eine Warze? Wie kannst du das behaupten? Das ist … ein … ein … Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, aber auf jeden Fall ist es alles andere als nur eine mickrige Warze.«
»Es sieht aus wie eine Tätowierung. Alle Jungen in meinem Alter haben Tätowierungen. Das ist nicht schlimm.«
»Nicht schlimm? Mein Gott, wie kannst du so was sagen?«
»Man sieht gleich, dass es keine Tätowierung ist«, mischt sich Stromber ein. »Man merkt, dass es etwas … etwas Übernatürliches ist. Es sieht einfach abscheulich aus! Wenn ich du wäre, würde ich mir diesen Drachen so schnell wie möglich wegmachen lassen.«
»Aber nicht auf Kosten der Stiftung!«, widerspreche ich. »Sie verstehen das nicht, aber die Bibliothek ist unser Leben!«
»Ist sie dir wichtiger als dein eigenes Leben, Arturo? Diese Zeichnung, dieses magische oder verzauberte Symbol oder was auch immer es ist, macht dich zum Außenseiter. Du kannst doch nicht dein ganzes Leben lang damit rumlaufen.«
»Señor Stromber hat recht«, sagt mein Vater.
»Siehst du nicht, wie sehr sich dein Vater um dich sorgt? Hör auf uns, Arturo! Lass uns zu diesem Hautarzt fliegen!«
»Als dein Vater habe ich die Pflicht, dafür zu sorgen, dass du glücklich bist. Und das da macht dich unglücklich.«
»Er hat recht«, stimmt Stromber zu. »Reden wir also nicht mehr darüber.«
Ich weiß, dass es keinen Zweck mehr hat zu diskutieren, also schweige ich.
* * *
Jetzt schlafen alle außer meinem Vater, der sicher noch arbeitet. Zeit, um auf den Dachboden zu gehen und Sombra zu treffen. Ich bin vor ihm da, aber ich weiß, dass er auch gleich kommen wird. Er hat mich noch nie im Stich gelassen.
Sombra hat so eine Art an sich – wie ein Geist ist er da, ohne da zu sein, er kann einen Raum vollkommen unbemerkt betreten und wieder verlassen. Er ist die Seele der Stiftung. Niemand weiß genau, was er eigentlich macht, aber wir alle wissen, dass er unentbehrlich ist.
»Hallo, Arturo, entschuldige die Verspätung«, sagt er mit seiner heiseren, aber warmherzigen Stimme. »Ich musste mich noch um ein paar Dinge kümmern. Es gibt zu viele Ratten hier. Wir werden den Kammerjäger rufen müssen.«
»Du brauchst dich bei mir nicht zu entschuldigen, Sombra«, antworte ich. »Komm, setz dich und erzähl mir alles, was du über diese Sache mit der Bank weißt. Papa hat gesagt, morgen wird eine Inventur gemacht.«
»Wie
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