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Die schwarze Feder

Die schwarze Feder

Titel: Die schwarze Feder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Freunde. Zu glauben, mehr tun zu können, war überheblich, wenngleich es niederschmetternd war, es nicht wenigstens zu versuchen.
    Da er all dies begriff, traf er in jener Nacht, als er vor seiner Mutter auf der Veranda stand und noch die Vogelkrallen auf der Kopfhaut spürte, eine Entscheidung. Wenn er deren ganze Tragweite in diesem Augenblick auch noch nicht klar und deutlich ermessen konnte, so ahnte er doch, worin sie bestand: in einer Reue, deren Last er womöglich jahrelang mit sich herumschleppen musste. Da er glaubte, dass Blackwood in der Lage sei, seine Drohung wahr zu machen, beschloss er, die Welt ihrer Selbstzerstörung zu überlassen und jene zu retten, die er womöglich zu retten vermochte.
    Während in der Ferne eine Sirene aufheulte, sagte er zu seiner Mutter: »Es waren bloß blöde Kinder, genau die, die immer gemeine Sachen zu mir sagen und mich herumstoßen. Ich war noch wach und hab im Bett gelesen, als ich sie gehört hab. Da bin ich runtergelaufen. Ich hab nicht genau gesehen, wer es war, aber sie waren es, ganz sicher. Sie haben Steine auf unser Haus geschmissen, und ich hab sie verjagt.«
    Als wenig später die Polizei eintraf, erzählte Howie dieselbe Geschichte. Er erzählte sie gut und aufrichtig. Sie wirkte schon deshalb überzeugend, weil alle wussten, dass er regelmäßig grausamen Hänseleien ausgesetzt war. Außerdem wusste er, dass gute Polizisten einem an den Augen ablesen konnten, ob man sie anlog, weshalb man sich verdächtig machte, wenn man den Blick abwandte. Deshalb schaute er den Polizisten direkt ins Gesicht und sah nicht ein einziges Mal weg, weil er wusste, dass es den Männern schwerer fiel, ihm in die Augen zu blicken als umgekehrt. Sie hatten Angst, er könnte das Mitleid in ihren Augen sehen und meinen, sie würden die verwüstete Seite seines Gesichts mit all den Narben betrachten. Deshalb ruhte ihr Blick meist auf den Notizblöcken, wo sie seine Aussage notierten. Sie würden sich keinen Zweifel an seinen Schilderungen erlauben, und wenn sie am Morgen wieder zu Hause waren, umarmten sie ihre Kinder wahrscheinlich fester als sonst.
    Howie log, was ihm zuwider war, allein schon, weil er kein Lügner sein wollte wie sein Vater. Er sagte sich zwar, dass er mit seinen Lügen nicht sich selbst schützte, sondern seine Mutter und seine Schwester, aber das stimmte nur zum Teil.
    Später, nachdem die Polizisten abgefahren waren, fand Howie die Glasscheibe, die Blackwood aus der Hintertür geschnitten und auf die Veranda gelegt hatte. Er trat darauf, um sie zu zerbrechen, und legte die Splitter zusammen mit einem Stein auf den Küchenboden. Den Spalt im Rahmen der Haustür, wo das Wurfmesser stecken geblieben war, nachdem es ihn knapp verfehlt hatte, hätte er nicht erklären können, aber das musste er auch nicht.

Kapitel 5
    Ron Bleeker wurde von seinen Eltern erst am Morgen als vermisst gemeldet, weil sie den ganzen Abend in der Kneipe gehockt hatten. Als sie nach Mitternacht heimgekommen waren, hatten sie angenommen, er läge friedlich in seinem Bett. Blackwood hatte keine andere Spur seines Aufenthalts in dem alten Warenhaus hinterlassen – der Beutel mit den Abfällen des Picknicks war ebenso verschwunden wie die restlichen Kekse und die zerrissenen Fotos von Haus und Garage der Dugleys – , aber die Tür zur Gasse hatte er nicht zugemacht, sondern nur angelehnt, offenbar absichtlich. Einige Stunden, nachdem die Vermisstmeldung über Funk durchgegeben worden war, entdeckte ein vorbeifahrender Polizist die offene Tür und wenig später auch die Leiche, die nicht mehr an der Wand hing, sondern auf dem Boden lag. Die Mordwaffe war nicht auffindbar. Dafür fand man die Ohren des Opfers in dessen geballten Händen, die der Mörder mit Schnur zusammengebunden hatte. In jeder Faust steckte zudem eine schwarze Feder, worauf sich niemand einen Reim machen konnte.
    Bleeker wurde nicht auf dem Friedhof von St. Anthony begraben, sondern auf dem städtischen Friedhof. Unter dem Namen und den Daten waren auf dem Grabstein drei Zeilen eingemeißelt: UNSER GELIEBTER SOHN / ZU GUT FÜR DIESE WELT / NUN EIN ENGEL IM HIMMEL . Außerdem war der dunkelgraue Granit mit einem in Porzellan gebrannten Foto des Verstorbenen geschmückt, dessen hübsches, von einem liebenswerten Lächeln erfülltes Gesicht tatsächlich aussah wie das eines Hollywood-Engels.
    Zwei Monate nach der Beerdigung fuhr Howie kurz nach dem Morgengrauen mit seinem Fahrrad zum Friedhof. In der Vase vor dem Grabstein

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