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Die schwarze Feder

Die schwarze Feder

Titel: Die schwarze Feder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Ohren fehlten.
    In der Erinnerung hörte Howie erst seine eigene Stimme und dann die von Mr. Blackwood:
    Sind Sie auch operiert worden?
    Nein. Will ich auch nicht. Ich hab eine besondere Beziehung zu Messern.
    Haben Sie Angst, dass man an Ihnen herumschneidet?
    Angst nicht. Aber ich hab einfach eine besondere Beziehung zu Messern.
    Mit einem Mal stand Howie vor der Hintertür, obwohl er sich gar nicht daran erinnerte, vor Ron Bleekers Leiche zurückgewichen zu sein. Er klappte den Riegel hoch, stieß die Tür auf und sprang auf die Gasse, völlig gewiss, dass aus der Dunkelheit schaufelgroße Hände nach ihm griffen, nur Zentimeter von seinem Nacken entfernt.
    Im Mondlicht taumelte er drei Schritte vorwärts, bevor er sich umdrehte. Obwohl niemand auf ihn zukam, stieß er einen Schrei aus, weil er endlich Luft bekam und seine Stimme wiedergefunden hatte. Fast hätte er um Hilfe gerufen, aber ihm wurde sofort klar, dass er keinen Augenblick damit vergeuden durfte, irgendjemand erklären zu müssen, was geschehen war. Er war die einzige Hilfe, auf die seine Mutter und seine Schwester zählen konnten. So klein und so hässlich er auch war, er spielte nun die Rolle des Motelangestellten mit dem Feuerlöscher, Blackwood war das Feuer, und Feuer war schnell, Feuer konnte in einer grellen, furchtbaren Minute alles ändern.
    Als er zwischen den Grabsteinen hindurch über den Friedhof eilte, sah er den Raben vor dem Vollmond vorüberfliegen. Unter den schützenden Ästen der gewaltigen Eichen angelangt, tauchte eine Erinnerung an den Herbst in ihm auf. Scharlachrote Blätter trieben dahin, die wogten wie ein See aus Blut. »Nein, nein, nein«, stieß er hervor, weil er fürchtete, ja wusste , Mutter und Schwester so blutig rot vorzufinden, wie es der Boden unter einer herbstlichen Eiche war.
    Wieder musste er den Drang bezähmen, einfach loszusprinten. Das Klopfen seiner Füße und sein Keuchen hätten Blackwood warnen können. Zu rennen konnte ihm den Tod bringen.
    Mit leisen Schritten huschte er also durch die Mondschatten der alten Buche im Garten an der Garage vorbei zur Hintertür, die in die Küche führte. Als er seinen Schlüssel aus der Tasche fischte, sah er, dass eine der Glasscheiben in der Tür herausgeschnitten worden war.
    Er brauchte seinen Schlüssel nicht. Die Tür war nicht mehr verriegelt.
    Leise öffnete Howie sie und wollte schon über die Schwelle treten, zögerte dann jedoch. In der Küche war es genauso dunkel wie in dem alten Warenhaus, aus dem er gerade eben geflohen war. Er hörte zwar keinerlei Geräusch, real oder eingebildet, kein gespenstisches Scharren einer stählernen Stiefelkappe, doch die Stille kam ihm unnatürlich vor. Er hatte das Gefühl, dass Blackwood ebenso auf ihn lauschte wie umgekehrt. Intuitiv wusste er, dass er nicht weitergehen durfte. Dies war ein Moment wie damals, als er beim Aufwachen die kalte Nässe des Benzins gespürt und dessen Gestank gerochen hatte, der Moment, bevor das Streichholz aufgeflammt war. In der Küche oder im Flur dahinter lauerte der Tod, und diesmal gab es keinen Motelangestellten, nur den Tod und Howie, und der Tod war groß und stark und tausendmal niederträchtiger als Ron Bleeker.
    So verstohlen wie nur möglich zog er die Tür wieder zu und schlich über die Veranda zum Rasen. Seiner Intuition folgend, eilte er auf die andere Seite des Hauses.
    Ein Geräusch machte er nur, als er zu nahe an dem japanischen Ahornbäumchen im Vorgarten vorbeiging und die Flusskiesel, mit denen der Boden um den Stamm verziert war, aneinanderstießen. Er blieb stehen, hob zwei Steine auf, jeweils etwa so groß wie eine Zitrone, und schlich weiter zur vorderen Verandatreppe.
    Dort angelangt, warf er einen Blick auf das Nachbarhaus und die Häuser auf der anderen Straßenseite. Wenn Howie um Hilfe rief und Blackwood merkte, dass er keine Zeit hatte, Mom und Corrine das anzutun, was er seinen anderen Opfern angetan hatte, blieb er womöglich trotzdem lange genug im Haus, um die beiden zu erstechen, bevor er die Flucht ergriff.
    Die Leuchte an der Wand neben der Haustür brannte um diese Zeit immer automatisch, weshalb Howie den Schutz der Dunkelheit verlassen musste. Er nahm beide Steine in die linke Hand, um mit der rechten die Tür aufzuschließen. Mit einem leisen Scharren schnappte der Riegel zurück. Behutsam schob Howie die Tür auf, steckte den Schlüssel ein und nahm einen der Steine wieder in die rechte Hand.
    Im Schein der Leuchte draußen war nur der

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