Die schwarze Hand des Todes
Lektion, die ihm seine letzte Partnerin erteilt hatte, zu Herzen nehmen sollen – schließlich war ihre flüchtige Beziehung schwierig genug gewesen. Ihn überkam die böse Vorahnung, dass Diane Fry mit ihm noch lange nicht fertig war.
Diane Fry runzelte die Stirn. Wo der Hauptweg zum Ringham Moor begann, war alles mit Polizeifahrzeugen zugestellt. Es war ein einziges Chaos. Immer mehr Autos rasten mit blinkendem Blaulicht heran und kamen rutschend auf der schmalen Böschung zum Stehen. Ein Wagen vom Sondereinsatzkommando konnte erst weiterfahren, als ihm ein uniformierter Sergeant lautstark den Weg freigemacht hatte. Scheinwerferkegel huschten über ziellos hin und her wandernde Gestalten in gelb leuchtenden Jacken.
Am liebsten hätte Fry den Befehl an sich gerissen und für Ordnung gesorgt. Vor lauter Anspannung und Aufregung waren die Beamten kaum zu gebrauchen. Aber sie beherrschte sich. Eigentlich gehörte sie überhaupt nicht hierher. Sie hatte geglaubt, ihre kurze Dienstzeit in Edendale bei der Division E wäre aus und vorbei, wie ein böser Traum, den sie bald vergessen haben würde. Aber immer noch war sie hier, auf Abruf, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, war sie wieder draußen in der Pampa des Peak District, wo die Zivilisation nicht viel mehr war als eine blasse Erinnerung und das einundzwanzigste Jahrhundert kaum realer als eine Zukunftsvision aus einem viktorianischen Roman.
Sie stand neben Inspector Paul Hitchens auf einer felsigen Erhebung oberhalb der Straße. Es nieselte leise. Die feinen Tropfen, die sich wie ein Schleier auf Kleider und Haare legten, ließen die Sandsteinplatte unter ihren Füßen dunkler erscheinen. Mit Hitchens an ihrer Seite hatte Fry das Gefühl, ihrem Lebensziel wieder einen kleinen Schritt näher gekommen zu sein. Sie tat bereits »kommissarisch« als Sergeant Dienst, und es war nur eine Frage der Zeit und der kommenden Umstrukturierungen, bis ihre Versetzung auf eine feste Sergeant-Stelle durch war.
Fry konnte es kaum erwarten, aus Edendale wegzukommen. Die Wochen bei der Division E waren von verrückten Ablenkungen und Fehleinschätzungen geprägt gewesen, die sie in Zukunft unbedingt vermeiden musste. Ihr schlimmster Fehler hatte einen Namen: Ben Cooper.
Der Gedanke an ihn ließ sofort die alte Wut in ihr aufflammen, die unablässig in ihr rumorte und ihr die Eingeweide versengte. Es war jedes Mal das Gleiche. Es reichte, wenn jemand Ben Coopers Namen erwähnte oder wenn sie ein paar Fetzen der falschen Musik hörte. Schon reagierte sie allergisch. Bestimmte Kassetten, die sie früher oft im Auto gehört hatte, waren für sie unerträglich geworden. Sie hatte sie in der nächstbesten Mülltonne versenkt, mit herausgerissenen, zerfetzten Bändern, wie die Gedärme einer von Hunden zerfleischten Ratte. Leider besaß sie keinen offenen Kamin. Sonst hätte sie sie verbrannt und genüsslich zugesehen, wie die Plastikgehäuse zersprangen, sich verzogen und Blasen warfen, während sie zu einem unappetitlichen Klumpen zerschmolzen.
Fry wischte sich den kalten Nieselregen aus dem Gesicht. Nein, noch war es ihr nicht ganz gelungen, Ben Cooper aus ihrem Gedächtnis zu tilgen. Aber sie arbeitete daran.
»Sie haben um achtzehn Uhr ein Gespräch mit Maggie Crew«, sagte Hitchens. »Am besten fahren Sie gleich los, sobald Sie hier wieder durchkommen.«
»Will sie denn mit mir reden?«
»Von wollen kann keine Rede sein. Die Frau ist ein zäher Brocken.«
»Sie ist nicht bereit, mit uns zusammenzuarbeiten? Warum denn nicht?«
»Das werden Sie schon sehen. Machen Sie sich selbst ein Bild von ihr, Diane. Das ist am vernünftigsten. Wir möchten, dass Sie sie kennen lernen. Versuchen Sie, an sie heranzukommen. Locken Sie sie aus der Reserve.«
Fry erkannte sofort, dass sich ihr hier die Gelegenheit bot, sich auszuzeichnen und den öden Routinearbeiten zu entgehen, die man im Zuge der Ermittlungen den Ben Coopers dieser Welt aufhalsen würde.
»Ich freue mich schon darauf«, sagte sie.
Hitchens nickte. »Wann sind die denn endlich fertig da unten?«, knurrte er.
Hitchens trug Freizeitkleidung, Jeans und Turnschuhe. Er sah nicht so aus, als ob er im Dienst wäre. Seine Wangen waren dunkel und unrasiert, und er hatte weiße Farbspritzer im Haar.
»Wir müssen die Straße freihalten«, sagte der Sergeant, der unter ihnen vorbeiging, gewichtig.
»Ja. Das machen Sie prima. Das sieht man.«
»Die Zentrale meldet, dass die Kavallerie schon unterwegs ist, Inspector. Sie
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