Die Schwarze Keltin
gekeucht, als er sie emporgehoben hatte, doch das war alles, und nachdem er sie einmal wieder abgesetzt und sie ihm nach oben in die Augen gesehen hatte, machte sie keine Anstalten, wegzulaufen. Die meisten Frauen lassen sich gern von einem gutaussehenden Mann bewundern. Sie sagte etwas zu ihm, die Worte waren nicht auszumachen, aber für Cadfaels Ohr klang der Ton leicht und nachsichtig, ohne Bledri regelrecht zu ermutigen. Und in dem, was er ihr erwiderte, war zumindest kein Anzeichen der Entmutigung hörbar. Ohne Zweifel hatte Bledri ap Rhys von sich selbst und seinen Vorzügen eine sehr gute Meinung, doch Cadfael kam es so vor, daß Heledd, so sehr sie seine Aufmerksamkeit auch freuen mochte, ganz gut in der Lage war, sie in geziemenden Grenzen zu halten. Cadfael hatte Zweifel, ob sie ihn sehr weit gehen lassen würde. Von diesem angenehmen Zusammenstoß mit ihm konnte sie sich befreien, wann immer sie wollte. Keiner von beiden nahm die Sache ernst.
In diesem Fall sollte sie nicht die Gelegenheit haben, es auf ihre Weise abzuschließen. Denn das Licht von der offenen Türe wurde unvermutet vom Umriß eines großen Mannes verdunkelt, und so lag auf dem miteinander verbundenen Paar plötzlich ein Schatten. Kanonikus Meirion verhielt einen Augenblick, um seine Augen an die Nacht zu gewöhnen und begann die Stufen mit seiner gewohnten selbstbewußten Würde hinabzusteigen.
Es kam Bruder Cadfael vor, der schamlos neugierig aus seiner dunklen Ecke zuschaute, daß sie beide sehr wohl merkten, was für ein Sturm sich über ihnen zusammenbraute, und keiner von ihnen hatte vor, dem Sturm auszuweichen oder ihn zu besänftigen. Statt dessen fiel ihm auf, daß Heledd ihre Haltung noch eine Idee lockerte, ihren Kopf eine Spur zu Bledri neigte und dabei ein angeregtes, schon verwegenes Lächeln aufsetzte, mit dem sie eher ihren Vater berunruhigen wollte als Bledri zufriedenzustellen. Sollte er um seine Stellung und die erhoffte Beförderung schwitzen! Sie hatte gesagt, sie könne ihn zerstören, falls sie das wolle. Das würde sie niemals tun, aber wenn er so ungeschickt war und von ihr so wenig wußte, um zu glauben, sie sei dazu fähig, ihn zu ruinieren, sollte er für diese Dummheit bezahlen.
Der Augenblick intensiver Stille zerriß förmlich, als Kanonikus Meirion wieder Luft bekam und in einem Wirbel von Bewegung und Priesterschwarz wie ein plötzliches Gewitter die Treppe herunterstürzte, seine Tochter beim Arm faßte und sie Bledris Griff resolut entwand. Sie befreite sich gekonnt aus diesem neuen Zugriff und wischte noch die Berührung seiner Hand von ihrem Arm. Vater und Tochter durchbohrten sich im Dunkeln mit Blicken, die nur von der Nacht gemildert wurden. Bledri duldete seinen Verlust mit Anmut, ohne sich zu rühren, und lachte ganz leise.
»Ach, entschuldigt, wenn ich Euer Sorgerecht übertreten habe«, sagte er absichtlich vage. »Mit einem Rivalen in Eurer Kutte habe ich nicht gerechnet. Nicht hier am Hof von Bischof Gilbert. Ich sehe schon, er denkt großzügiger, als ich angenommen habe.«
Er war natürlich absichtlich aufreizend. Selbst wenn er nicht gewußt hätte, daß dieser empörte ältere Mann der Vater des Mädchens war, wußte er mit Sicherheit, daß diese Einmischung nicht aus dem Motiv heraus geschah, das er unterstellte. Doch kam der Anstoß für diese Frechheit nicht von Heledd? Es gefiel ihr nicht, daß der Kanonikus so wenig Vertrauen in ihr Urteil haben sollte, um anzunehmen, sie käme hier nicht ohne Hilfe zurecht. Als ob sie sich nicht der Unverschämtheit erwehren könnte, die sich dieser fragwürdig-willkommene Besucher im Vorübergehen leistete! Und Bledri verstand allemal genug von Frauen, um zu wissen, daß sie aus einer milden Boshaftigkeit heraus handelte. Er mimte für sie den Spießgesellen, nicht bloß, um ihr zu gefallen, sondern genauso zu seinem eigenen Vergnügen.
»Herr«, sagte Meirion gewichtig und mit einschüchternder Würde, um seinen Zorn zu mäßigen, »meine Tochter ist verlobt und wird bald heiraten. Hier am Hof unseres Herrn werdet Ihr sie und alle anderen Frauen mit Achtung behandeln.« Und zu Heledd sagte er schroff und deutete mit einer scharfen Geste seiner Hand auf ihre Unterkunft unter der gegenüberliegenden Mauer der Enklave: »Geh, Mädchen! Es ist schon spät, und du solltest im Haus sein.«
Heledd nickte jedem von ihnen kurz zu, ohne Hast, ohne die Ruhe zu verlieren, drehte sich um und ging davon. Noch im Weggehen war ihr von hinten deutlich
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