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Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Verteidigungsanlagen überhaupt schon so früh überprüfen zu lassen. Für ihn stellte Cadwaladrs Anwesenheit in Owains Lager, die er hinnehmen mußte, wenn er sie auch nicht begrüßte, eine tiefe Beleidigung dar, nicht nur um des ermordeten Anarawd, sondern auch um Owains willen, der sehr lebendig war. Und die Art, wie Cadwaladr sich innerhalb des Lagers aufführte, hatte die Verachtung, die Cuhelyn für ihn hegte, nicht gemildert. So, wie Cadwaladr sich in eine abgelegene Ecke des Lagers zurückgezogen hatte, mochten andere darin eine gewisse Rücksichtnahme auf Owain sehen, den schon der Anblick seines Bruders reizen mußte. Doch Cuhelyn kannte sein überhebliches Wesen besser, das blind für die Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen war.
    Cadwaladr war nicht zu trauen, er ging stets rücksichtslos und unberechenbar vor. So hatte Cuhelyn damit begonnen, ohne sonst jemand davon zu unterrichten, die Bewegungen Cadwaladrs und der Männer, mit denen er sich umgab, genau im Auge zu behalten.
    Da der Mann, der an dem Tor Wache gestanden hatte, nicht aufzufinden war, machte sich Cuhelyn eilends selbst auf den Weg, bevor unter seinen eigenen Leuten Unruhe aufkam. Der Vermißte wurde bald unverletzt aufgefunden, er lag in einem Gebüsch unweit der Palisade und war in eine Wolldecke gefesselt. Es war ihm schon gelungen, die Schnur zu lockern, mit der seine Hände gefesselt waren, doch nicht genug, um sich zu befreien. Den Stoff, der ihm in den Mund gestopft worden war, hatte er teilweise entfernt. Die undeutlichen Grunzer, die alles waren, das er äußern konnte, waren genug, um ihn ausfindig zu machen, sobald der Suchtrupp die Bäume erreicht hatte. Von seinen Fesseln befreit, kam er steif wieder auf die Beine und berichtete mit geschwollenen Lippen, was ihm in der Nacht zugestoßen war.
    »Dänen – mindestens fünf – sie sind von der Bucht hochgekommen. Ein Junge ist dabei gewesen, hätte Waliser sein können, der hat ihnen den Weg gezeigt...«
    »Dänen!« wiederholte Cuhelyn verwundert über das, was ihm plötzlich klar wurde. Er hatte eine Art Teufelei von Cadwaladr erwartet, aber war es möglich, daß es sich hier statt dessen um einen bösen Scherz gegen Cadwaladr handelte? Der Gedanke bereitete ihm ein bitteres Vergnügen, aber er glaubte noch nicht ganz daran. Es mochte sein, daß hier noch jemand anderes die Hand im Spiel hatte, Däne oder Waliser, der es bereute, so streng gewesen zu sein und jetzt heimlich mit dem Gegner paktierte, um sich Owain zu widersetzen.
    Er lief schnell zu Cadwaladrs Zelt und ging ohne Umstände hinein. Aufkommender Wind blies ihm ins Gesicht und fuhr knatternd in die aufgetrennten Zeltbahnen hinter dem Bettlager.
    Die eingewickelte Gestalt auf dem Bett bäumte sich auf und gab unterdrückte Klagelaute von sich. Dieses zweite gefesselte Opfer stellte alle Gedanken auf den Kopf, die er sich über das erste gemacht hatte. Warum sollte eine Gruppe von Wikingern heimlich hierher zu Cadwaladr kommen, ihn fesseln und knebeln und ihn dann hierlassen, damit er unvermeidlich aufgefunden und befreit wurde, sobald es Tag wurde? Egal, ob sie gekommen waren, um sich erneut mit ihm zu verschwören oder um ihn für das, was er ihnen schuldete, als Geisel zu nehmen – in beiden Fällen ergab dies keinen Sinn. So dachte Cuhelyn verwirrt nach, während er mit grimmiger Geduld mit seiner einen Hand die Knoten und Stricke löste, mit denen Arme und Beine gefesselt waren, und den sich windenden Körper aus der zerknitterten Decke wickelte. Eine Hand, die der Strick gefesselt hatte, erhob sich tastend, sobald sie freikam, und zog das Tuch von einem zerzausten Schopf dunklen Haares und einem Gesicht, das Cuhelyn gut kannte.
    Cuhelyn schaute nicht in Cadwaladrs anmaßende Miene, sondern in das Gesicht eines jüngeren Mannes, schmaler, ausgeprägter und empfindsamer, der sein Spiegelbild und sein Zwillingsbruder hätte sein können. Es war Gwion, die letzte Geisel aus Ceredigion.
    Als sie gemeinsam, aber hintereinander zu Owains Hauptquartier gingen, da ging Cuhelyn nicht als letzter, weil er Gwions Hirte gewesen wäre, sondern weil es ihm so beliebte, und Gwion ging steifbeinig voran, um jedem, der ihnen zusah, klarzumachen, daß er sich nicht antreiben ließ, sondern aus eigenem Entschluß hinging, wo er hingehen wollte. Die Luft zwischen ihnen vibrierte von der Animosität, die es zwischen ihnen bis zu diesem Augenblick nie gegeben hatte und in ihrer Intensität und Schmerz nicht lange geben

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