Die Schwarze Keltin
diesem Augenblick saß ihm schon ein gezückter Dolch an der Kehle, und sein hochfahrender Zorn, so rüde abgewürgt, schlug in eisige Beherrschung und gehorsame, bebende Stille um. Er war ein tollkühner Mensch, der allerdings eine ausgesprochen schnelle Auffassungsgabe hatte, und seine Tollkühnheit reichte nicht so weit, daß er mit bloßen Händen gegen einen Dolch angekämpft hätte. Es war der Mann, der neben Cadwaladr gesessen hatte, der bei dem Angriff aufgesprungen und Turcaill an die Kehle gefahren war.
Doch hinter ihm hatte Torsten mit dem Messer die Lederschnüre durchtrennt, die die Zeltbahnen zusammenhielten, und eine große Hand griff den Fremden am Schopf und zog ihn nach hinten. Bevor er sich wieder aufrichten konnte, war er schon in eine Decke eingewickelt worden.
Turcaills Männer hielten ihn fest.
Cadwaladr war sich der Klinge wohl bewußt, die gerade seine Kehle kitzelte, und stand da, ohne sich zu rühren. Seine schönen schwarzen Augen glitzerten vor Wut, und er biß angestrengt die Zähne zusammen, doch er machte keine Bewegung, als der Gefährte, den er mit Vergnügen willkommen geheißen hatte, trotz Gegenwehr bis zur Hilflosigkeit gefesselt und fast zärtlich auf dem Bettlager seines Herrn abgelegt wurde.
»Keinen Mucks«, sagte Turcaill, »und dir passiert auch nichts. Falls du schreist, rutscht mir schnell die Hand aus. Es gibt da noch ein kleines Geschäft, das Otir gern mit dir besprechen will.«
»Das wirst du bereuen!« stieß Cadwaladr zwischen den Zähnen hervor.
»Kann schon sein«, gab Turcaill zu, »aber jetzt noch nicht.
Ich würde dir ja die Wahl lassen, zu Fuß zu gehen oder getragen zu werden, aber dir ist nicht zu trauen.« Dann sagte er zu den beiden Ruderknechten: »Packt ihn ein!«, zog seine Hand zurück und steckte den Dolch wieder in die Scheide.
Cadwaladr war nicht schnell genug, um die eine Sekunde zu nutzen, in der er hätte laut schreien und damit ein Dutzend Männer zu Hilfe holen können. Sobald Turcaill das Messer zurückgenommen hatte, hatte Cadwaladr schon den Mund geöffnet, aber er bekam sofort ein Stück Wollstoff über den Kopf gezogen und in den offenen Mund gestopft. Er gab nur einen würgenden Klagelaut von sich, der sofort verstummte. Mit Händen und Füßen schlug er um sich, bis er fest in das rauhe Tuch gewickelt und gefesselt worden war.
Vor dem Zelt stand Leif Wache, hielt die Ohren gespitzt und ließ seine Blicke durch das dunkle Lager schweifen, ob sich irgendwo etwas rührte, das ihr Unternehmen bedrohen mochte, doch alles war ruhig. Da Cadwaladr ausdrücklich befohlen hatte, allein und ungestört mit seinem Besucher zu sprechen, hatte er Turcaill schon auf sehr gründliche Weise die Arbeit abgenommen. Niemand rührte sich. Als sie wieder zu der kleinen Ansammlung von Bäumen zurückkehrten, wo sie die gefesselte Wache versteckt hatten, stießen aus dem Dunkel die übrigen Mitglieder der Gruppe zu ihnen und lachten leise, als sie sahen, wen Torsten und Turcaill da verpackt und festgezurrt an Seilen zwischen sich trugen.
»Und der Wächter?« fragten sie mit einem Flüstern.
»Der ist ganz lebendig und flucht undeutlich vor sich hin. Und wir sehen besser zu, daß wir an Bord sind, bevor die ihn hier vermissen und nach ihm suchen kommen.«
»Und der andere?« wagte Leif leise zu fragen, als sie sich auf dem Rückweg von Deckung zu Deckung in Richtung Strand bewegten. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«
»Den habe ich liegen lassen«, sagte Turcaill.
»Ihr habt gesagt, keine Toten!«
»Es hat auch keine gegeben. Du kannst beruhigt sein, wir haben ihm kein Haar gekrümmt. Owain hat jetzt nicht mehr Anlaß, gegen uns zu kämpfen, als von dem Augenblick an, als wir den ersten Fuß auf seinen Boden setzten.«
»Und wir wissen immer noch nicht«, staunte Leif, als er neben ihm durch den Sand stapfte, der naß war, wo das Wasser bereits zurückgewichen war, »wer der andere gewesen ist und was er hier gemacht hat. Ihr werdet euch bestimmt noch wünschen, ihr hättet ihn mitgenommen, solange ihr noch die Chance dazu gehabt habt.«
»Wir sind wegen einem gekommen, und einen nehmen wir auch mit. Das ist alles, was wir gewollt und gebraucht haben«, sagte Turcaill.
Die Wikinger, die an Bord zurückgeblieben waren, griffen zu und halfen ihren Kameraden, Cadwaladr in die Vertiefung zwischen den Ruderbänken zu hieven. Der Steuermann stemmte sich schwer gegen sein Steuerruder, die Ruderknechte auf der Landseite stießen das Schiff vom Strand ab
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