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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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flüsterte Uri mir zu. »Sie werden mit uns in den Bus steigen.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich, als würde ich mir selbst keine machen. »Du musst sie einfach ignorieren, dann hören sie schon auf.«
    Dabei wusste ich selbst nicht, was ich tun sollte. In der Stimmung, in der sie waren, konnte Streichholz mit allen in den Bus steigen, auf seine Streifenkarte, und auf diese Art erfahren, wo wir hin wollten. Das wäre das Ende zwischen mir und Benji, wenn ich mit dieser ganzen Horde hinter mir bei ihm auftauchen würde. Wir gingen auf die Haltestelle zu, aber mir war klar, dass wir sie erst loswerden mussten, bevor wir in den Bus einsteigen konnten.
    »Erst müssen wir sie abhängen«, sagte ich zu Uri, genau wie in dem Film mit dem verfolgten Spion, den ich mal gesehen hatte. Mir war jetzt klar, was wir tun mussten. »Frag nicht und tu nur das, was ich dir sage.«
    Wir gingen in den Felafel-Kiosk von Maurice und Uri bestellte eine halbe Portion. An der Tür stand Streichholz mit seiner Clique.
    »Was wollt ihr, Kinder«, rief ihnen der Verkäufer zu. »Hier ist kein Spielplatz. Entweder ihr kauft was oder ihr verschwindet.«
    Sie gingen hinaus, blieben aber in der Nähe der Tür stehen. Uri kann immer essen, entweder weil er so klein ist oder weil er unbedingt wachsen will. Deshalb liebt ihn meine Großmutter auch so sehr. Es passiert einfach nicht, dass er keine zweite Portion verlangt, wenn er bei uns isst. Als hätte er eine Woche gefastet, machte er sich über die Felafel und die sauren Gurken und Peperoni her und inzwischen erklärte ich ihm meinen Plan. Uns war klar, dass sie nicht genug Geld hatten, um Felafel für alle zu kaufen.
    Noch bevor Uri fertig war, verließ ich den Kiosk und ging in unsere Richtung. Wie ich gedacht hatte, folgte mir die Clique. Ich kann rennen, nicht nur, weil ich vom Basketballspielen trainiert bin, ich war auch mal der Schulbeste im Zweihundert-Meter-Lauf. Ich rannte durch die kleinen Straßen unseres Viertels, bis ich sie abgehängt hatte wie dieser Spion im Film. Ich wechselte die Richtung und rannte zur anderen Haltestelle der Linie 17, die nach Ein-Kerem fährt. Dort wartete schon Uri auf mich, mit dem Ball unterm Arm. »Du hast sie reingelegt«, sagte er und ich tat, als wäre das nichts Besonderes. Wir hatten Glück, es kam gleich ein Bus. So ist das mit dem Glück, entweder man hat’s oder man hat’s nicht. Wir stiegen ein und schauten uns um. Die Luft war rein.
    Es war schon fast fünf, als wir an der Endstation ankamen. Wir stiegen den Hügel hinauf. Wieder läuteten die Kirchenglocken und der Wind war ein bisschen kühl. Wir drückten ein paar Mal auf die Klingel neben dem Tor von Benjis Haus. Der schwarze Teufel bellte wie verrückt und rannte an der Mauer entlang. Uri kletterte die Mauer hinauf und schaute in den Garten, zog aber sofort den Kopf wieder zurück.
    »Ich dachte, du verstehst was von Rottweilern«, sagte ich und er drehte den Kopf hin und her, wie er es immer tut, wenn er nicht weiß, was er sagen soll. »Klar«, meinte er dann. »Aber vielleicht lohnt es sich jetzt nicht hineinzugehen.« Und mit einem ernsten Gesicht, als müsse er mir etwas Wichtiges mitteilen, fügte er hinzu: »Dieser Hund ist nicht genügend gezähmt und außerdem hat er Hunger.«
    Ich klingelte noch einmal. Nicht weil ich dachte, es würde uns jemand aufmachen, sondern nur so, um etwas zu tun. Doch da waren plötzlich Stimmen zu hören. Der Hund hörte auf zu bellen und Benjis Mutter öffnete das Tor. Als sie mich sah, lächelte sie. Es war ein zerstreutes Lächeln und mit ihren hellen Augen schaute sie mich und Uri auch nicht wirklich an, sondern über unsere Schultern hinweg in die Ferne. Der Wind brachte ihre wirren grauen Locken noch mehr durcheinander. Uri senkte die Augen und betrachtete ihren großen, blauen Kittel, der voller Farbflecke war. Dann wanderte sein Blick zu dem schwarzen Teufel, den sie am Halsband festhielt. Es war nicht der Blick eines Löwenbändigers, noch nicht mal der eines Hundebändigers. Der Hund setzte sich neben der Frau auf den Boden und die Zunge, eine rote, böse Zunge, hing ihm aus dem Maul. Auch seine großen Zähne waren zu sehen. Ich merkte, dass Uri Angst hatte.
    »Wie schön, Schabi«, sagte Benjis Mutter mit ihrem amerikanischen Akzent, »dass du einen Freund mit einem Ball mitgebracht hast. Benji wird es sehr bedauern.«
    Ich wunderte mich, dass sie überhaupt wusste, wer ich war, so verwirrt sah sie aus. Ich fragte sie, wo Benji sei,

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