Die schwarze Schatulle
dass wir Freunde wären wie früher, als wir immer gemeinsam überall hingingen und fast alles zusammen unternommen hatten. Mit seinen kleinen Augen mit den rötlichen Flecken sah er mich an wie ein enttäuschter Hund. Ich wusste, was er sich wünschte: dass ich ihn beteiligte, ihm zeigte, dass er noch mein Freund sei, auch wenn ich in der Mannschaft war und er nicht. Ich weiß nicht, warum ich es tat, vermutlich um ihm irgendwas zu geben, jedenfalls erzählte ich ihm von Streichholz Malul.
Uri erschrak so sehr, dass seine Sommersprossen anfingen zu leuchten. »Ein Messer? Ein richtiges Messer? Wegen dem Mörderspiel? Oder will er wirklich jemanden umbringen?«
Ich sagte, ich hätte eigentlich gedacht, Ja’ir Malul würde sich schon um seinen Bruder kümmern, bis ich gehört hätte, was heute Morgen passiert war. Uri sagte, Ja’ir sei selbst ein Gangster und würde mit einem Messer herumrennen. Bestimmt wär er der, der vorgestern Nacht in die Schule eingebrochen war. Und noch sicherer sei es, dass der Einbruch in Esthers Kiosk auf sein Konto gehe.
Wir gingen zurück zur Klasse. An der Treppe vom ersten Stock mit den siebten Klassen und dem zweiten mit unseren blieb Uri stehen. »Trainieren wir heute?«
»Ich kann heute nicht«, sagte ich und sah sofort, dass sein Gesicht sich verdüsterte, wie meine Mutter es ausdrücken würde.
»Warum nicht«, fragte er. »Wie soll ich denn dann Fortschritte machen?«
Ich hätte sagen können, dass ich Babysitter bei den Töchtern meiner Schwester Carmela spielen oder für meine Mutter etwas erledigen müsste. Aber dann hätte er mit mir kommen wollen, und wenn ich das abgelehnt hätte, wäre er wirklich beleidigt gewesen. Wegen all dieser Gedanken, die mir durch den Kopf schossen, erzählte ich ihm plötzlich von Benji.
Vielleicht war das ein Fehler. Denn als ich davon berichtete, wie Benji vor mir davongelaufen und ich zweimal zu ihm nach Hause gefahren war, fingen Uris Augen an zu funkeln wie damals, als wir durch ein Loch im Tor in den Garten von Ziona Aflal geschlichen waren. Als ich zu ihm gesagt hatte, wir sollten reingehen und uns Aprikosen von ihrem Baum pflücken, hatten seine Augen ganz genauso gefunkelt. Wir haben die Aprikosen vom Baum geholt, sie alle aufgemacht und die Kerne herausgenommen, mit denen wir damals Murmeln spielten. Vielleicht eine halbe Stunde waren wir im Garten gewesen, bis Ziona Aflal plötzlich auftauchte und wir ihr mit Mühe und Not entwischten. Ziona Aflal brüllte: »Schabi Ben-Schoschan, ich kenne dich, ich kenne auch deine Mutter. Es gibt Gerechtigkeit und du wirst es büßen. Am Schluss werde ich dich erwischen und deinen Eltern werde ich auch Bescheid sagen.« Die Aprikosenkernmurmeln verloren wir an Schimi Simantow aus der vierten Klasse, der sich herabließ und mit uns spielte, nur weil wir einen Sack voll Murmeln hatten. Als ich nach Hause kam, hörte ich in der Küche die Stimme von Ziona Aflal. Mit einer Stimme, die eher traurig als wütend war, sagte sie zu meiner Mutter: »Sie haben sie noch nicht mal gegessen, sie haben sie aufgemacht und weggeworfen. Ist das nicht traurig?«
Solche funkelnden Augen bekommt Uri also immer, wenn es um etwas Verbotenes geht. Und in solchen Fällen konzentriert er sich auch so sehr auf das, was man sagt, dass er sogar aufhört zu hüpfen und keinen Satz zweimal sagt. Wenn er einen solchen Blick in den Augen hat, heißt das, dass er ein gefährliches Abenteuer riecht, das, selbst wenn es am Ende zu Schwierigkeiten kommen würde, die Sache wert ist.
»Ich verstehe was von Rottweilern«, sagte er. »Mein Cousin hat auch einen, ich weiß, wie man mit ihnen umgehen muss.« Hätte ihm ein Fremder zugehört, hätte er denken müssen, Uri sei eine Art Löwenbändiger aus dem Zirkus.
Ich schwieg.
»Los, Schabi, fahren wir hin«, bat Uri. »Nimm mich mit. Du weißt, dass ich gut bin in solchen Sachen. Los, fahren wir sofort hin.«
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Einerseits hatte ich mich mit Joli verabredet, wenigstens so gut wie, um nach der Schule mit ihr zu sprechen. Andrerseits sah ich Uri an, wie gespannt er war. Das würde ihn für das versäumte Basketballüben entschädigen. Ich wusste ja schon, dass er dieses Jahr keine Chance hatte, in die Mannschaft aufgenommen zu werden.
Außerdem hielt ich es für keine gute Idee, Joli mitzunehmen. Die Sache schien mir nicht so geeignet zu sein für Mädchen. Ja, manche Sachen sind für Jungen und andere für Mädchen. Und es ist besser, sie
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