Die schwarze Schwesternschaft - 8
noch einen Schritt zu tun. Und doch war sie sich ihrer Gef ä hrtinnen außerhalb des vom Ger ä usch ihres Atems beschriebenen kleinen Kreises irgendwie bewusst. Sie f ü hlte den Schmerz in Jaelles verletztem Bein, das Stechen in Camillas Fuß, jedes Mal, wenn sie ihn niedersetzte, wusste sie, dass Vanessa ihr Kn ö chel, den sie sich zu Anfang der Reise verstaucht hatte, in dieser K ä lte wieder zu schaffen machte, empfand den dumpfen Druck auf Cholaynas Brust. Magda versuchte, all das auszuschließen, denn sie konnte ihnen nicht anders helfen, als dass sie ihre eigene Kraft bewahrte und keine Hilfe von ihnen beanspruchte. Vanessa weinte leise vor Ersch ö pfung. Auch sie war heute schon einmal diesen Weg hinaufgeklettert.
Nur ein Schritt, dann noch einer. Sonst ist nichts.
Es war ein langer Alptraum. Sie waren schon immer geklettert, und sie w ü rden immer weiterklettern. Ich werde noch zehn Schritte machen, handelte Magda mit sich selbst, und dann gebe ich auf. Und am Ende der zehn Schritte: Ich werde noch zehn Schritte machen, nur noch zehn, weiter als das will ich nicht denken. So hielt sie sich auf den F ü ßen, dachte nichts anderes mehr als: sieben, acht, neun, zehn Schritte, dann lege ich mich hin und stehe nicht mehr auf .
Magda , erklang ganz leise Vanessas Stimme, kannst du Cholayna helfen? Magda blickte auf. Jenseits der Grenze ihrer kleinen Welt hatte Cholayna den Sattelgurt losgelassen und war im Schnee zusammengebrochen. Vanessa k ä mpfte mit einem der Pferde, das nicht weitergehen wollte, und mit einem Teil ihres Gehirns wunderte Magda sich, warum sie sich die M ü he machte. Dabei wusste sie genau, falls sie noch ein Pferd verloren, w ü rden sie das Dorf, das sie gesehen hatten, nie erreichen.
Sie beugte sich ü ber Cholayna und fasste sie am Arm.
Ich helfe dir. St ü tze dich auf mich.
Cholaynas Gesicht war scheckig von Salbe und halb erfrorenen hellen Flecken auf der dunklen Haut. Ihre ger ö teten Augen lagen tief in den H ö hlen. Eis hing an losen Str ä hnen ihres Haars. Ihre Stimme war nur noch ein raues Fl ü stern.
Ich schaffe es doch nicht. Ich halte euch nur auf. Geht ihr weiter. Lasst mich hier. Kein Grund, dass ihr anderen nicht hin ü berkommen solltet. Aber ich bin am Ende.
Magda f ü hlte tief in ihrem Inneren Cholaynas Verzweiflung und k ä mpfte dagegen an, sie Teil von sich selbst werden zu lassen.
Du bist nur m ü de. St ü tze dich auf mich. Sie b ü ckte sich und fasste Cholayna unter den Achseln. Eine H ä lfte ihres Ichs war ä rgerlich, denn sie hatte kaum noch Kraft f ü r sich selbst, aber die andere H ä lfte wusste, dass dies der letzte Kampf war. Sieh doch, wir sind nur ein kleines St ü ck vom Gipfel entfernt, von dort an kannst du reiten.
Magda, ich kann nicht mehr . kann nicht mehr. Ich glaube, ich sterbe .
Magda sah ihr ins Gesicht, und einen Augenblick lang glaubte sie es auch. Sie wollte Cholayna loslassen, einfach nur loslassen . dann schoss Adrenalin in ihr Blut und ü berflutete sie mit Zorn.
Verdammt noch mal, wage bloß nicht, mir so zu kommen! Du hast uns gezwungen, dich mitzunehmen, obwohl ich sagte, du w ü rdest es nicht schaffen! Und noch in Nevarsin wolltest du nicht auf mich h ö ren und dich nicht zur ü ckschicken lassen! Jetzt hievst du deinen sturen alten Hintern aus dem Schnee, oder ich bef ö rdere dich mit einem Fußtritt bis zum Gipfel! Du musst auf eigenen F ü ßen gehen, ich habe nicht die Kraft, dich zu tragen, und die anderen sind in schlechterer Verfassung als ich! Steh auf ! Ungl ä ubig h ö rte sie ihre eigene Stimme schreien. Aber die Wut hatte sie so gepackt, dass sie tats ä chlich den Arm hob, um Cholayna zu schlagen.
Cholayna atmete rasselnd ein und aus, dann regte sie sich m ü de. Magda hielt ihr die Hand hin und zog sie hoch. Einen Augenblick lang klammerte Cholayna sich an den ausgestreckten Arm. Durch zusammengebissene Z ä hne zischte sie: Wenn ich k ö nnte, w ü rde ich dich . Die Worte gingen in einem schweren Hustenanfall unter. Magda legte den Arm um sie.
Komm. Halte dich an mir fest.
Es geht schon. Cholayna zwang sich, ohne Magdas Hilfe zu stehen. Die Z ä hne entbl ö ßt wie ein Tier, funkelte sie sie an. Sie tat einen wackeligen Schritt, noch einen. Aber wenigstens ging sie. Magda umfasste von neuem ihre Schultern, und diesmal wehrte sich Cholayna nicht.
Jaelle war an der Spitze, Vanessa hatte mit den Pferden zu tun. Camilla hatte die zusammengebundenen Chervines eingeholt und hielt sich, wie zuvor
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