Die Schwarze Schwesternschaft
nach all diesen Jahren kaum noch als Liebhaberin haben wollen. Und wenn sie nicht begreift, dass ich immer ihre Freundin sein werde - dann ist sie dümmer, als ich es selbst ihr zugetraut habe!«
»Mach dir keine Sorgen«, begütigte Magda, »du wirst sehen, sie will dir nur einfach etwas Privates mitteilen.«
»Aber sie müsste wissen, dass ich ihr Vertrauen niemals missbrauche«, schimpfte Jaelle. »Ich fürchte, sie hat sich in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht… «
Magda wehrte ab: »Das glaube ich nicht. Wenn sie nichts dabei fand, die Stadt zu verlassen und alle ihre Pferde mitzunehmen, so dass sich die arme Keitha meins leihen musste… «
»Was?«
»Jaelle, wusstest du das nicht?«
»Nein, ich habe den ganzen Tag alte Schriften aus dem Archiv für Mutter Lauria abgeschrieben. Das Papier löst sich auf, weil die Tinte, die man seinerzeit benutzte, so sauer war. Die Dokumente sind erst ein paar hundert Jahre alt, und schon fallen sie in Stücke. Und ich habe hier sonst nichts zu tun. Deshalb war ich den ganzen Tag in der Bibliothek eingeschlossen… «
Magda gab ihr einen kurzen Bericht.
»Das sieht Rafi nicht ähnlich, so gedankenlos zu sein. Was mag in ihrem Kopf vorgehen?« Jaelles glatte Stirn kräuselte sich vor Verwirrung. »Ich glaube, ich sollte die Sattelmacherin sofort aufsuchen, Magda.«
»Noch heute Abend? Du hast den Verstand verloren«, sagte Magda. »Hör dir den Regen und den Wind da draußen an!« Es klang nach einem der Unwetter, die durch den Pass von den Venza-Bergen herunterfauchten und Thendara mit Regen, starkem Wind und manchmal, sogar im Hochsommer, mit Hagel oder Schnee trafen. Stirnrunzelnd lauschte Jaelle dem Sturm, der die Läden gegen die Fenster knallte.
»Wie schlecht auch das Wetter sein mag, Rafi steckt mittendrin.« Sie schob den Teller mit dem unberührten Stück Nusskuchen zur Seite und ging in den Flur hinaus. Magda folgte ihr.
»Du kannst nicht wegen eines blödsinnigen Einfalls von Rafaella allein in dieses Toben hinausgehen… «
Jaelle drehte sich um und fasste Magdas Arm. »Dann komm mit mir. Ich habe das Gefühl, dies bedeutet Ärger, Magda - mehr Ärger, als dass Rafaella eifersüchtig ist oder dass sie Kinderspiele treiben möchte.«
Mit einem resignierten Seufzer nickte Magda und holte sich den Mantel, den sie mit so viel Mühe getrocknet hatte. Camilla erschien im Gang hinter ihnen.
»Ihr geht aus? Bei diesem Wetter? Seid ihr beide verrückt geworden?«
Jaelle erzählte ihr, was geschehen war. Ihr Gesicht war blass und bekümmert.
»Camilla, komm mit uns. Du bist auch Rafis Freundin.«
»Soweit sie es zulässt.« Camilla nahm einen abgetragenen alten Umhang vom Haken. »Gehen wir.«
Wind und Regen stürzten sich in den Eingang, als die drei Frauen in die Nacht hinaustraten.
7. Kapitel
Jaelle, Magda und Camilla eilten dem Marktplatz zu. Es goss in Strömen. Magda war böse auf sich selbst, weil es ihr nicht gelungen war, Jaelle zur Vernunft zu bringen. Jaelles kleines, dreieckiges Gesicht war unter der Kapuze verborgen, aber Magda meinte, den bleichen Zorn darin zu erkennen.
Camilla schritt hager und schweigend neben ihnen. Sie platschten durch Pfützen, und der Wind peitschte ihnen die Umhänge ums Gesicht. Der Marktplatz war leer. Tümpel eisigen Wassers bildeten eine Miniaturlandschaft von Seen und felsigen Ufern. Fest verschlossene Stände erhoben sich darüber wie Inseln.
»Sie ist nicht hier. Der Stand der Sattelmacherin ist geschlossen«, stellte Camilla fest. »Gehen wir nach Hause, Jaelle. Da ist nichts, was nicht bis morgen warten könnte.«
»Ich weiß, wo die Sattelmacherin wohnt.« Jaelle drehte sich auf dem Absatz um und strebte einer dunklen Seitenstraße zu. Camilla und Magda wechselten einen einzigen verzweifelten Blick und folgten ihr.
Magda wünschte sich, sie könne Rafaella schütteln, bis ihr die Zähne klapperten. Sie war auch auf Jaelle ärgerlich, die Rafaella zuliebe zu dieser gottverlassenen Stunde in die Altstadt eindrang.
Trotz des Mantels blies ihr der Wind kalt den Nacken hinunter. Magda dachte an Keitha, die außerhalb der Stadt zu Pferde unterwegs war. Aber Keitha hatte es bestimmt längst warm innerhalb eines Hauses, und man hatte ein großes Feuer angezündet, um Wasser heiß zu machen. Magda hatte nie den leisesten Wunsch gehabt, Ärztin oder Hebamme zu werden, aber heute Nacht wusste
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