Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
– wieder einmal. Der Schmerz hingegen war immer vorhanden.
»Tersa sagt mir unaufhörlich, dass alles gut werden wird, dass ich einer vertrauen solle, die es gesehen habe«, sagte er
zu der Statue. »Surreal ermahnt mich immer wieder, nicht aufzugeben, dass die verwandten Wesen es schaffen werden, dich zurückzuholen. Und das möchte ich ja auch glauben. Ich muss es glauben. Aber wenn ich Tersa direkt auf dich anspreche, reagiert sie zögerlich und meint, es sei zu früh, um etwas zu wissen. Die verwandten Wesen kämpfen darum, den Traum im Fleisch festzuhalten.« Er stieß ein verbittertes Lachen aus. »Sie kämpfen nicht darum, den Traum im Fleisch festzuhalten, Jaenelle. Sie kämpfen darum, ausreichend viel von dir wieder zusammenzufügen, damit es überhaupt etwas gibt, wohin der Traum zurückkehren kann. Und du wusstest, was passieren würde, nicht wahr? Als du dich entschieden hast, es zu tun, wusstest du es!«
Er ging auf und ab, beschrieb einen Kreis und kehrte zu der Statue zurück.
»Ich habe es für dich getan«, sagte er leise. »Ich habe dir Zeit verschafft, ich habe das Spiel für dich gespielt. Für dich.« Sein Atem ging unruhig, und er begann zu schluchzen. »Ich wusste, dass ich ein paar Dinge tun müsste, die man mir nicht verzeihen würde. Das wusste ich, als du mich darum gebeten hast, nach Hayll aufzubrechen; doch ich tat es trotzdem. F-für dich. Weil ich dachte, ich würde zu dir zurückkommen, und alles andere sei dann egal. W-weil du auf mich warten würdest. Doch du hast mich dorthin geschickt, obwohl du wusstest, dass du bei meiner Rückkehr nicht hier sein würdest, obwohl du wusstest …« Er sank in die Knie. »Du hast gesagt, keine Opfer. Du wolltest mein Versprechen, keine Opfer darzubringen. Aber wie nennst du dann das hier, Jaenelle? Wie nennst du es? Bei meiner Rückkehr sollten wir h-heiraten … Und du hast mich verlassen. Verdammt noch mal, Jaenelle! Ich habe es für dich getan, und du hast mich verlassen. Du hast mich verlassen.«
Weinend brach er auf dem Rasen neben der Statue zusammen.
Lucivar stützte sich mit einer Faust an der Steinmauer ab und neigte den Kopf.
Mutter der Nacht! Daemon hatte sich auf das Spiel eingelassen und erwartet, zu seiner eigenen Hochzeit zurückzukehren. Mutter der Nacht!
Er war hier, weil Marian ihm heute Morgen leidenschaftlich ins Gewissen geredet hatte. Er hatte das ganze Temperament zu spüren bekommen, das unter ihrem ruhigen Naturell verborgen lag. Sie hatte ihm gesagt, ja, er sei verletzt worden, doch man habe ihn verletzt, um Daemonar und sie zu retten. Anschließend hatte sie ihn gefragt, ob er es vorgezogen hätte, seine Ehefrau oder seinen Sohn tatsächlich zu verlieren, wenn dafür auf seine Gefühle Rücksicht genommen worden wäre. Außerdem hatte sie ihm an den Kopf geworfen, dass der Mann, den sie geheiratet hatte, den Mut besitzen würde, zu vergeben.
Deshalb war er hergekommen.
Doch jetzt …
Als Daemon und er in Terreille Sklaven gewesen waren, hatten sie beide ihre Spielchen gespielt, hatten einander benutzt und sich gegenseitig wehgetan. Manchmal hatten sie es getan, um ihren eigenen Schmerz zu vergessen, gelegentlich war es aus besseren Beweggründen geschehen. Doch sie waren immer in der Lage gewesen, über jene Spiele hinwegzusehen und die einander zugefügten Wunden zu verzeihen, weil es niemand anderen gegeben hatte. Sie hatten miteinander gekämpft, doch gleichzeitig hatten sie auch für einander gekämpft.
Mittlerweile hatte er andere Menschen, einen größeren Kreis, den er liebte. Eine Frau, einen Sohn. Vielleicht lag es daran. Er brauchte Daemon nicht mehr. Doch, beim Feuer der Hölle, in diesem Moment brauchte Daemon ihn!
Aber es war mehr als das. Vor dreizehn Jahren hatte er Daemon fälschlich beschuldigt, Jaenelle umgebracht zu haben. Das war der erste harte Schlag gewesen und hatte dazu geführt, dass Daemon acht Jahre im Verzerrten Reich verbracht hatte, verloren im Wahnsinn. Und Daemon hatte ihm verziehen, weil er, wie er meinte, bereits um einen Bruder getrauert habe und es nicht ein zweites Mal tun wolle.
Dreizehn Jahre lang hatte Daemon eine unendlich schmerzhafte Lüge geglaubt. Er selbst hingegen hatte nur zwei Tage lang an eine grausame Unwahrheit glauben müssen. Marian hatte Recht gehabt, ihm eine erbitterte Moralpredigt zu halten.
Folglich würde er tun, was in seiner Macht stand, um sich wieder zu versöhnen – um seinetwillen genauso wie um Daemons willen. Denn im Laufe jener
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