Die schwarzen Juwelen 03 - Schatten
und bemerkte, wie kühl Lucivar mit seinem Bruder umging. Das würde sich ändern. Es würde sich ändern müssen . Doch Lucivar würde erst ansprechbar sein, nachdem er Marian und Daemonar gesehen hatte. Von daher bestand im Moment kein Anlass, seinen eyrischen Zorn zu entfachen. Außerdem war er verdammt noch mal zu müde, um es in diesem Augenblick mit Lucivar aufzunehmen.
Als er auf die Doppeltür zuging, schritten seine Söhne zu beiden Seiten neben ihm her.
Dämmerung. Der gesamte Tag war vergangen.
Sie überquerten den offenen Innenhof. Lucivar machte das Tor auf.
Etwas flatterte in einem Windstoß und zog Saetans Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein Fetzen von einem Kleid. Hekatahs Kleid.
Er erwähnte es nicht.
»Ich bin im Augenblick nicht stark genug«, sagte er leise. »Könntet ihr beiden …«
Lucivar blickte gen Süden, Daemon gen Norden. Eine Minute später lag auf ihren Gesichtern der gleiche ernste, dabei aber gewollt gelassene Ausdruck.
»Es gibt nur noch wenige Angehörige des Blutes«, meinte Daemon langsam. »Nicht viele.«
»Dort ebenfalls«, sagte Lucivar.
Wenige. Nur wenige. Süße Dunkelheit, hoffentlich würden sie in Kaeleer eine andere Antwort erhalten. »Lasst uns nach Hause zurückkehren!«
Er konnte den Unterschied spüren, sobald er durch das Tor zwischen den Reichen trat. Als sie den Altarraum verließen, blickten sowohl Daemon als auch Lucivar in die Richtung, in der sie den Ersten Kreis – und die anderen – wussten.
Saetan wandte sich in die entgegengesetzte Richtung, da er noch nicht so weit war, sich dem Folgenden zu stellen. »Kommt mit.« Widerwillig gehorchten sie.
Er führte sie auf eine Terrasse, die von einer niedrigen Mauer umgeben war und auf Riada hinausging, das nächste Dorf der Angehörigen des Blutes.
Daemon blickte auf das Dorf hinab. Lucivar hingegen sah in die Richtung, in der die Eyrier lebten.
In Daemons Seufzer lag Erleichterung. »Ich weiß nicht, wie viele Leute gestern dort lebten, aber es gibt immer noch viele Angehörige des Blutes.«
»Falonar!«, rief Lucivar. Er grinste sie an. »Die ganze Gemeinschaft ist noch da. Es geht ihnen so weit gut, sie sind nur sehr durcheinander, ansonsten aber unversehrt.«
»Der Dunkelheit sei Dank«, flüsterte Saetan. Die Tränen kamen,
aus Stolz genauso wie aus Trauer. Prothvar hatte gesagt, es sei eine andere Art von Schlachtfeld, doch eine gute Art zu kämpfen. Er hatte Recht gehabt. Es war ein ehrenwertes Schlachtfeld. Anstatt zuzusehen, wie mehr Freunde zu Dämonentoten wurden, hatten sie sich in dem Wissen geopfert, dass diese Freunde leben würden. Char, Dujae, Morton, Titian, Cassandra, Prothvar, Mephis, Andulvar. Er würde sie vermissen. Mutter der Nacht, wie sehr er sie vermissen würde! »Und das Blut soll zum Blut singen. Ihr habt gut gesungen, meine Freunde. Ihr habt gut gesungen.«
Er würde auch Lucivar und Daemon – und Surreal – davon erzählen müssen. Doch nicht jetzt. Noch nicht.
Innerlich fürchtete er sich davor, doch er wusste, dass er keinen von beiden viel länger aufhalten können würde. »Kommt schon, Jungs. Der Hexensabbat wird gewiss das eine oder andere hierüber zu sagen haben.«
Es war schlimmer, als er erwartet hatte.
Der Hexensabbat und die Männer des ersten Kreises fielen geradezu über Lucivar her, der Marian und Daemonar fest umschlungen hielt. Daemon begrüßten sie kühl und zurückhaltend ; mit Ausnahme von Karla, die »Küsschen« gesagt und ihn dann tatsächlich geküsst hatte! Surreal hatte Daemon mit einem abschätzenden Blick bedacht und dann gemeint : »Du siehst furchtbar aus, Sadi.« Saetan hätte sie geharnischt zurechtgewiesen, wenn Daemon nicht trocken bemerkt hätte, dass ihre Komplimente wie immer zu schmeichelhaft seien – und wenn sie ihn daraufhin nicht angegrinst hätte.
Tersa hatte das Gesicht ihres Sohnes in beiden Händen gehalten und ihm in die Augen geblickt. »Es wird alles gut werden, Daemon«, sagte sie zärtlich. »Vertraue einer, die es gesehen hat. Alles wird gut werden.«
Saetan war sich nicht sicher, ob Daemon die Kühle überhaupt spürte, die ihm von den meisten Anwesenden entgegengebracht wurde. Bemerkte sein Sohn überhaupt, wer ihn begrüßt hatte und wer nicht? Sein Blick wanderte pausenlos
auf der Suche nach jemandem durch das Zimmer, der nicht da war – und der nicht kommen würde.
Noch während der Höllenfürst versuchte, sich einen annehmbaren Vorwand einfallen zu lassen, um Daemon von den anderen
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