Die schwarzen Juwelen 04 - Zwielicht
vertrieben hatte, doch selbst jetzt, da die Wintertage demnächst dem Versprechen des Frühlings Platz machen würden, war sie immer noch so zerbrechlich, so schwach, dass sie kaum von ihrem Bett zum nächsten Sessel gehen konnte. Sie sprach weder davon, wie ihre mitternachtsschwarzen Juwelen zerborsten waren, noch von dem neuen Juwel, Schatten der Dämmerung, das sie anstelle der verlorenen Juwelen trug.
Sie redete überhaupt nicht viel. Zumindest nicht mit ihm.
»Es ist nicht vorbei«, sagte er seinem eigenen Spiegelbild. »Deine besten Waffen hast du bisher noch gar nicht eingesetzt, alter Knabe. Vielleicht ist es an der Zeit, der Lady ins Gedächtnis zu rufen, was du einer Frau zu bieten hast, und dass du ihr gehörst. Wenn du in diesem Spiel nicht alles einsetzt, was dir zur Verfügung steht, und du deshalb verlieren
solltest, wirst du es den Rest deines Lebens bereuen. Es ist nicht vorbei, bis sie dich bittet, zu gehen. Also gib ihr einen Grund, weshalb sie dich bei sich behalten will.«
Er wandte sich von dem Spiegel ab und schlüpfte in seinen Morgenmantel. Dann goss er sich ein Glas Brandy ein und ließ sich in dem Sessel nieder, um sich um die Arbeit zu kümmern, die ihn nach Amdarh geführt hatte. Wenn er die geschäftlichen Angelegenheiten durchsehen konnte, die einer baldigen Entscheidung bedurften, würde ihm am Morgen Zeit für ein paar private Erledigungen bleiben, bevor er sich mit Marcus traf - und er würde am Abend wieder zu Hause bei Jaenelle sein.
Daemon verließ das Stadthaus und schlenderte den Bürgersteig entlang, die Hände in den Taschen seines Wollmantels vergraben, dessen Kragen zum Schutz vor der beißend kalten Winterluft hochgeschlagen war. Die Gehwege und Straßen waren frei von Schnee, was es ihm erleichterte, seinen zügigen Morgenspaziergang zu genießen.
Die persönlichen Besorgungen wollte er zuerst erledigen. Sobald der Morgen gedämmert hatte, war ihm klar geworden, dass er nur gegen die nagenden Zweifel in seinem Innern ankämpfen konnte, indem er seiner Hoffnung Nahrung gab. Er wusste, was er sich mehr als alles auf der Welt wünschte, und dies war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Zuerst machte er bei dem Buchhändler Halt, bei dem er regelmäßig einkaufte. Der Mann hatte kaum Zeit gehabt, sein Geschäft zu öffnen, als Daemon eintraf. Da er heute nicht versucht war, sich in den Regalen umzusehen, betrachtete er lediglich die Bücher, die der Händler für ihn beiseite gelegt hatte. Dieser Tage war das Lesen Jaenelles Hauptbeschäftigung, weshalb er jedes Mal dem Buchladen einen Besuch abstattete, wenn er geschäftlich in Amdarh weilte. Er wählte drei der sechs zurückgelegten Bücher, bat den Händler jedoch, die übrigen aufzuheben, bis er in vierzehn Tagen erneut
in der Stadt sein würde. Sie zu kaufen, ohne ihr alle zu geben, wirkte unehrlich, als enthalte er ihr eine Süßigkeit vor. Den Kauf hinauszuzögern, gewährte ihm die Freude, ihr jedes Mal, wenn er für die Familie geschäftlich unterwegs war, etwas Neues mitzubringen. Und er musste ihr alles geben, was er nur konnte.
Als er die Buchhandlung verließ, waren bereits zahlreiche Leute in Amdarhs Einkaufsviertel unterwegs. Auf dem Weg zu seinem nächsten Ziel grüßte er die Männer und Frauen, denen er zuvor in Adelshäusern bei offiziellen Abendessen oder Festen begegnet war. Er hatte sich Mühe gegeben, die adeligen Angehörigen des Blutes in der Stadt kennen zu lernen, besonders diejenigen, die an Lady Zharas Hof dienten, da sie die Hauptstadt von Dhemlan beherrschte. Außer Karla hatten ihm die Jungs und der Sabbat, die einst Jaenelles Ersten Kreis gebildet hatten, die Spiele verziehen, die er gespielt hatte, damit sie in Ruhe die Zauber vorbereiten konnte, die ihre Freunde und ganz Kaeleer beschützen würden. Auch zwischen Lucivar und ihm herrschte immer noch eine gewisse Spannung. Was er in Dorotheas Lager getan hatte, um die Frau und den Sohn seines Bruders zu beschützen, war eine nicht verheilte Wunde.
Er grüßte zwei Hexen, die er auf einem Fest getroffen hatte, als er vor ein paar Wochen in Amdarh gewesen war, um Geschenke für Winsol zu kaufen. Zwar verblüffte ihn die argwöhnische Art, mit der sie ihn anstarrten, bevor sie seinen Gruß erwiderten, doch er tat es als unwichtig ab. Seine Gedanken galten bereits dem Laden eine Straße weiter.
»Guten Morgen, Prinz Sadi«, sagte Banard, sobald Daemon das Geschäft betrat. »Ich hatte nicht erwartet, dich hier so schnell nach
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