Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
augenblicklich losließ. Als sein schlaftrunkenes Gehirn endlich den Grund für die Verzweiflung erkannt hatte, die in ihren Flüchen mitschwang, hatte er sie noch weiter erbost, indem er sie ins Badezimmer trug.
Ihr aufgebrachtes Gemurmel hatte ihn zum Kichern gebracht, als er sie wieder unter die Decke gesteckt hatte und zu ihr ins Bett geklettert war. Er war überglücklich gewesen, dass sie noch am Leben war, und überdies so weit genesen, dass sie wütend sein konnte. Deshalb hatte er sich keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie sie auf einen nackten Mann an ihrer Seite reagieren könnte. Er hatte sie eine Stunde lang an sich gedrückt.
Und er hatte sie in den Armen gehalten und zusammen mit ihr geweint, als sie nach Tomas gefragt hatte.
Er hatte versucht, sie beim Frühstück zu füttern.
Er hatte versucht, sie zu baden.
Er hatte etwa einmal pro Stunde vorgeschlagen, dass sie doch ein Nickerchen machen könnte, wobei er höflich darauf hingewiesen hatte, dass sie in der vergangenen Nacht sehr krank gewesen war und viel Ruhe benötigte.
Vielleicht hatte er sie also ein bisschen zu sehr umhegt, doch das war sein gutes Recht. Sie hatte ihn in Angst und Schrecken versetzt. Mehr als das.
Aber er war ihr nicht auf die Nerven gegangen!
»Du grummelst schon wieder vor dich hin«, murmelte Lia mürrisch und beobachtete ihn aus misstrauisch zusammengekniffenen Augen. Sie warf sich das Haar über die Schultern und griff nach dem Saftglas.
Ihr Haar ist wie eine weiche, dunkle Wolke, dachte Jared und nippte an seinem Wein. Nach dem Baden hatte sie ihm gestattet, es zu kämmen – hatte es ihm gestatten müssen, weil ihre Arme schon nach kurzer Zeit zu schwer geworden waren. Daemon hatte einen Großteil des Giftes aus ihrem Körper entfernt, doch sie war immer noch völlig erschöpft von ihrem Überlebenskampf, nachdem sie sich schon während des Hinterhalts so viel abverlangt hatte. Während des Bürstens hatte er sie mit einem Beruhigungszauber belegt, den Daemon ihm beigebracht hatte, als sie ein Jahr am selben Hof verbracht hatten. Daraufhin hatte sie zwei Stunden lang geschlafen.
Der Gedanke daran ließ ihn grinsen.
»Was?«, wollte Lia wissen. »Hast du mir etwas in den Fruchtsaft gemischt?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Jared ungehalten. »Lass uns spielen. Würfele.«
Sie würfelte eine Fünf und erhielt somit eine Königin mit Aquamarin. Er würfelte eine Drei: Tigerauge. Mit einem frechen Grinsen eröffnete er die Partie, indem er mit einer seiner Schwarzen Witwen zog.
Etliche Züge später stieg Sorge angesichts ihrer veränderten Spieltaktik in ihm auf. Ihre Königin blieb im Hintergrund, während ihre stärkeren Figuren – vor allem die Schwarzen Witwen und Kriegerprinzen – den Großteil der Verteidigung übernahmen und die schwächeren Figuren unterstützten, die erst eine seiner Figuren gefangen nahmen, als eine Konfrontation unvermeidlich war. Wieder und wieder zog sie sich zurück, verlor an Boden und wurde immer zaghafter, je mehr ihrer Figuren er eroberte.
Und die ganze Zeit über blieb ihre Königin tatenlos.
Ihr draufgängerischer Mut hatte ihn vielleicht erbost, als sämtliche Instinkte, die ein Mann des Blutes besaß, aufgeheult hatten, weil das Weibliche in seinen Augen schützenswert war, doch mit anzusehen, wie sie sich derart ängstlich und unsicher verhielt, rief eine tiefere Wut in ihm hervor – und eine tiefer sitzende Angst.
Tomas zu verlieren hatte ihr eine emotionale Wunde zugefügt, die zwar mit der Zeit verheilen würde, doch die Narbe würde sie ihr ganzes restliches Leben lang mit sich herumschleppen. Und es würde mehr Narben geben. Dena Nehele würde mit Blut für seine künftige Freiheit bezahlen müssen.
Ihr Kopf wusste das, doch ihr Herz weigerte sich, es zu akzeptieren.
Und er konnte ihr nicht den Luxus gewähren zu glauben, durch Rückzug würde sich ihr Volk schützen lassen.
Er versetzte einen seiner Krieger, um einen ihrer Bauern zu bedrohen. Wenn sie die Königin bewegte, um ihn herauszufordern, würde er den Bauern ziehen lassen. Wenn nicht...
Es fühlte sich an, als sei die halbe Nacht verstrichen, als sie endlich zaghaft mit ihrer Königin zog. Ihre Hand zitterte ein wenig, und aus ihrem Gesicht wich das bisschen Farbe, das sie im Laufe des Tages zurückgewonnen hatte.
Um sie abzulenken und weil er Zeit benötigte, um sich einen Zug auszudenken, der wie eine logische Alternative zum Schlagen des Bauern wirkte, sagte er: »Sieht
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