Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
zurück in den Schlitz gleiten. Im Pfuhl gab es nur wenige Dinge, die man nicht kaufen konnte, aber Vertrauen war eines davon.
Er trat in den Durchgang, der die Küche vom Wohnzimmer trennte, spähte in den Raum und musterte seinen Besucher.
Der andere Inkubus stand auf der Schwelle und platzte beinah vor Nervosität. Und trotzdem leuchteten seine Augen vor Neugier, als er die einfachen Möbel und die gerahmten Zeichnungen an der Wand betrachtete.
»Was willst du, Teaser?«, fragte Sebastian.
Falls Teaser den schroffen Ton in Sebastians Stimme bemerkte, ging er nicht darauf ein, sondern sprang in den Raum. Dann hielt er inne, drehte sich herum und schloss die Haustür, bevor er mit großen Schritten – seine stutzerhafte Gangart, passte nicht recht zu seinem jungenhaft guten Aussehen – auf Sebastian zuschritt.
Frauen ließen sich oft dahingehend täuschen, dass sie annahmen, er benehme sich auch so, wie er aussah. Im Falle von Teaser war das manchmal ein gravierender Fehler.
Als Jugendliche waren sie oft gemeinsam durch die Stra ßen des Pfuhls gezogen – der blonde, blauäugige Teaser passte genau in das Bild eines Jungen, der auf ein wenig unanständigen Spaß aus war, während der gut aussehende Sebastian mit seinen schwarzen Haaren und klaren grünen Augen den reizvollen Hauch der Gefahr verströmte. Gemeinsam hatten sie ihre Verführungsspielchen gespielt, indem sie Frauen Sex anboten, die aus den Landschaften des Tageslichts in den Pfuhl kamen, oder indem sie die Fähigkeit der Inkuben nutzten, sich im Zwielicht des Halbschlafs mit einem anderen Geist zu verbinden, und sich an den Gefühlen labten, die sie als Fantasie-Liebhaber hervorriefen. Unglückliche Ehefrauen. Alberne Mädchen, die sich nach der Romantik eines mysteriösen Verehrers sehnten. Einsame Frauen, die sich nach der Wärme eines Liebhabers verzehrten, selbst wenn dieser Liebhaber sie nur in ihren Träumen besuchte. Für die Inkuben waren sie alle Beute.
Fünf Jahre lang hatten er und Teaser benachbarte Zimmer in einem teuren Bordell gemietet und waren gemeinsam im Pfuhl umhergestrichen. Aber als Sebastian zwanzig wurde, konnte er das wachsende Verlangen nach etwas, das über den Pfuhl und die Sexspielchen hinausging, nicht länger ignorieren und kehrte den bunten Lichtern und dunklen
Gassen den Rücken. Er stieß auf eine unbefestigte Straße, die wenige Schritte hinter dem Ende der Hauptstraße des Pfuhls begann. Eine Straße, die, davon war er überzeugt, dort vorher noch nicht gewesen war. Er folgte ihr, nicht sicher, ob er lediglich einen Spaziergang machte oder wirklich den einzigen Ort verließ, an dem er sich je zu Hause gefühlt hatte.
So fand er das zweistöckige Cottage. Es sah nicht so aus, als gehörte es in eine Landschaft wie den Pfuhl, aber es wäre nicht da gewesen, wenn es nicht dorthin gehört hätte. So liefen die Dinge in Ephemera nun einmal.
Er ging hinein, voller Sorge, auf denjenigen zu treffen, dem das Haus gehörte. Aber es war unbewohnt. Die Hälfte der Zimmer stand leer, aber in den anderen Räumen standen wahllos genügend Möbel herum, um Schlafzimmer, Wohnraum und Küche gemütlich einzurichten. Er fand sowohl Bettwäsche und Handtücher als auch alles, was er brauchte, um in der Küche eine einfache Mahlzeit zuzubereiten. Eine Stunde lang durchstöberte er das Haus. Er stellte fest, dass sich etwas in ihm entspannt hatte, so als hätte er seit Monaten zum ersten Mal tief durchgeatmet.
In einem Schrank in der Küche fand er Reinigungsmittel und wischte Staub, putzte, fegte und scheuerte, bis das Cottage sauber war und er die Möbel nach seinem Geschmack arrangiert hatte. Dann kehrte er in den Pfuhl zurück, holte fast alles, was er besaß, aus dem Zimmer, das er im Bordell angemietet hatte, und zog in das kleine Häuschen. Eine Woche später, als er von einem Streifzug durch die Straßen des Pfuhls zurückkehrte, entdeckte er, dass jemand eine Mondblume neben die Hintertür des Hauses gepflanzt hatte. Da wurde ihm klar, dass dieser Ort nur darauf gewartet hatte, dass er ihn fand, dass er ihn suchte. Sie hätte den Moment erkannt, in dem sich etwas in ihm so verändert hatte, dass es zu dem Cottage passte, und die Mondblume war ihre Art, ihn willkommen zu heißen.
In Ephemera gab es nur wenige Geheimnisse des Herzens. Und nichts entging Glorianna Belladonna.
Seit zehn Jahren lebte er jetzt schon im Cottage, noch immer ein Teil des Pfuhls und doch von ihm getrennt.
»Ich hab dich gestern nicht
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