Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
Angelegenheiten kümmern.
Seinem Vater hatte er ebenfalls von dieser Marotte der ansonsten intelligenten Frau berichtet, da er glaubte, Belarr würde die Sache genauso amüsant finden wie er selbst.
Belarr hatte ebenfalls mit den Schultern gezuckt, allerdings weniger unbeschwert als Reyna. Ohne etwas von seinen tatsächlichen Gedanken zu offenbaren, hatte er gesagt:
»Heilerinnen und Königinnen spielen nicht sonderlich gut.« Dann hatte er übergangslos das Thema gewechselt.
Damals hatte Jared gedacht, Belarrs Reaktion hätte damit zu tun, dass Reyna in dem Augenblick völlig erschöpft von der langen und schwierigen Behandlung eines Kranken nach Hause gekommen war. Doch als er nun beobachtete, wie die Königin der Grauen Lady über das Spielfeld hastete, seine Figuren angriff, ihre eigenen beschützte und dabei Gefahr lief, gefangen genommen zu werden, wurde die Erinnerung von neuem, tieferem Verständnis durchtränkt.
Er ließ sich ein paar Gelegenheiten entgehen, die Königin gefangen zu nehmen, indem er auf der anderen Seite des Spielfeldes angriff, wo sie die stärkeren männlichen Figuren einsetzen musste. Selbst da opferte sie jedoch eine Priesterin statt eines Prinzen.
Er schluckte den Zorn hinunter, der in ihm hochstieg. Es war nichts weiter als ein Spiel, eine Möglichkeit, ihr die Langweile zu vertreiben. Aber, beim Feuer der Hölle, hatte die Frau denn den Verstand verloren? Man opferte keine weiblichen Figuren, solange noch eine starke männliche Figur übrig war, außer, es war kein anderer Spielzug möglich.
Als sie die Königin bewegte, um einen Mann des Blutes zu beschützen, der ohnehin nicht mehr zu retten war, riss ihm schließlich der Geduldsfaden.
»Lady«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und griff nach dem Mann des Blutes, »es ist eine unbedeutende Spielfigur. Du solltest deine Königin nicht wegen eines Bauern in Gefahr bringen.«
Die Luft in dem Wagen kühlte sich so stark ab, dass er seinen eigenen Atem sehen konnte.
Überrascht sah er sie an.
Die grauen Augen, die ihn noch vor Kurzem warm und freundlich angeblickt hatten, waren nun eisig, hart und spiegelten eine Wut wider, die so tief aus ihrem Innern kam, dass sie schier unbegreiflich war.
Ohne den Blick von Jared abzuwenden, griff sie nach ihrer Königin und warf sie vorsätzlich um. »Es gibt keine Bauern.«
Dann senkte sie den Blick und sammelte die gefangenen Figuren ein, die neben ihr auf der Bank lagen. Sorgfältig legte sie jede einzelne in die Schachtel zurück.
Ihren ruckartigen Bewegungen zuzusehen, die ihren kaum unterdrückten Zorn verrieten, war schlimmer, als die Peitsche zu spüren.
»Danke für das Spiel«, sagte sie förmlich, als sie suchend nach der letzten Figur tastete. »Aber jetzt bin ich müde. Ich möchte mich ein wenig ausruhen.«
Als sie die letzte Figur, einen Mann des Blutes, in der Hand hielt, schlossen sich ihre Finger schützend darum.
Die kalte Abweisung schmerzte ihn, aber Jared ließ sie über sich ergehen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sich sämtliche Figuren und der Würfel in der Schachtel befanden, ließ er das Spiel in den Stoffbeutel gleiten und trat aus dem Wagen ins Freie. Er gab Blaed das Spiel zurück, bedankte sich matt und eilte dann davon.
Niemand näherte sich ihm. Niemand fragte, was vorgefallen war. Selbst Thera ließ ihn nach einem langen, musternden Blick in Ruhe.
Kein Spiel, das man gegen einen Feind spielen sollte, denn es offenbarte die Schwächen des eigenen Herzens.
So viele Jahre später begriff er nun endlich die Streitereien zwischen Belarr und Reyna wie nie zuvor in seinem Leben. Obwohl Heilerinnen so sehr in der Kunst bewandert und so mutig waren – oder vielleicht gerade deswegen – verfügten sie über keinerlei ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb und neigten dazu, sich kräftemäßig völlig zu verausgaben, anstatt einen Patienten aufzugeben. Aus diesem Grund musste jeder Heilerin laut Gesetz mindestens ein Juwelen tragender Mann dienen, sofern sie keinen Gefährten oder Ehemann hatte, der Juwelen trug und die Aufgabe übernehmen konnte, sie vor sich selbst zu schützen.
Hatten sich deshalb ursprünglich Höfe um Königinnen gebildet? Um sie davor zu bewahren, zu viel von sich aufzugeben?
Da er nie an einem Hof gedient hatte, bevor ihm der Ring
angelegt worden war, war er nie bei einer Königin gewesen, die er respektiert hatte, geschweige bei einer, die er hätte beschützen wollen. Er selbst hatte noch nie die
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