Die schwarzen Juwelen 05 - Finsternis
nicht wagte, ging er rückwärts, bis er mit Blaed zusammenstieß. Dieser Verrat versengte ihm die Kehle und den Magen. Trotz der Erfahrungen, die er im Laufe der letzten neun Jahre gesammelt hatte, hatte er angefangen, die Graue Lady zu respektieren. Und jetzt wollte sie Polli – Polli! – einer Bande Geächteter zum Fraß vorwerfen, damit der Rest der Gruppe kampflos weiterziehen konnte.
Es machte die Sache nicht besser, dass er ihren Gedankengang nachvollziehen konnte. Geächtete waren in der Regel besonders bösartig, weil ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt war. Es handelte sich entweder um entlaufene Sklaven oder Männer, die gegen den Dienstvertrag mit einer Königin verstoßen hatten, nachdem diese sie für ihren Hof erwählt hatte. Doch es waren immer noch Männer, und jeder von ihnen, den man nicht kastriert hatte, würde sich freuen, eine Frau besteigen zu können.
Und wen sonst konnte sie ihnen anbieten? Die scharfzüngige Thera, die intelligent und nützlich war? Die kleine Cathryn?
Die Graue Lady stützte sich mit einer Hand an dem Rad ab und beugte sich vor, um auf Polli einzureden. Allerdings sprach sie so leise, dass Jared kein Wort verstehen konnte. Während sie sprach, strich sie Polli mit der Hand über den Kopf.
Sie muss sich eines Beruhigungszaubers bedient haben, schloss er erbittert, als die Angst allmählich aus Pollis Gesicht wich.
Langsam richtete die Graue Lady sich wieder auf. Polli erhob sich eilig. Mit einem nachdenklichen Blick umarmte Thera Polli und übergab ihr den Leinensack. Die Graue Lady hakte sich bei Polli ein und führte sie zu den Geächteten, wobei sie behutsam auftrat, um ihr Knie zu schonen.
Miststück, dachte Jared, der den beiden Frauen nachsah. Welche Lügen hast du ihr erzählt, damit sie dir so willig folgt?
Brocks Miene war angespannt, und Randolfs Augen funkelten
vor Zorn, als die beiden Frauen an ihnen vorübergingen. Jared hegte den Verdacht, dass es beiden Männern nicht sonderlich schwer fallen würde, ihre Instinkte zu unterdrücken und das Graue Luder ihren eigenen Kampf ausfechten zu lassen, sollte der Handel nicht aufgehen.
»Was wird hier gespielt?«, flüsterte Blaed.
Da die Antwort offensichtlich war, machte Jared sich nicht die Mühe, etwas zu erwidern.
Der Kriegerprinz mit den saphirblauen Juwelen trieb sein Pferd vorwärts und kam den beiden Frauen die Hälfte der Strecke entgegen. Er stieg langsam ab, ohne die Graue Lady aus den Augen zu lassen. Sein schlanker, muskulöser Körper bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Kriegers, als der Mann sich den Frauen vorsichtig näherte, eine Hand leicht an dem Griff des Messers, das in seinem Gürtel steckte.
Jared konnte die Verhandlungen nur beobachten, da er zu weit weg stand, um etwas zu hören, und er es nicht wagte, die Lage mit seinen magischen Sinnen zu ertasten und am Ende eine gewaltsame Reaktion heraufzubeschwören. Nach einem langen, eingehenden Blick achtete der Kriegerprinz nicht weiter auf Polli, sondern schien dem Angebot der Grauen Lady höflich zu lauschen.
Beim Feuer der Hölle, was würde geschehen, wenn der Mann erst noch Thera und Cathryn inspizieren wollte, bevor er die Frau annahm, die ihm angeboten wurde?
Die Minuten krochen langsam dahin. Dann hob der Kriegerprinz die linke Hand. Zwei seiner Männer kamen sofort herangeritten und stiegen von ihren Pferden ab. Einer griff nach Pollis Sack und befestigte ihn an seinem Sattel. Der andere führte Polli zum Pferd des Kriegerprinzen und half ihr beim Aufsitzen.
Jared verengte die Augen zu Schlitzen. Sämtliche Geschichten, die er über Geächtete vernommen hatte, besagten, dass sie ein entbehrungsreiches, verzweifeltes Leben führten und von den Königinnen und deren Höfen derart verletzt worden waren, dass sie sich niemals wieder dem weiblichen Geschlecht unterwerfen würden. Jede Frau, der
das Unglück widerfuhr, ihnen in die Hände zu fallen, musste damit rechnen, auf die brutalste Art und Weise für die niedersten Bedürfnisse der Männer missbraucht zu werden.
Warum ging also der Krieger, der Polli beim Aufsitzen geholfen hatte, so sorgsam mit ihr um? Wieso hörte dieser Kriegerprinz der Grauen Lady immer noch höflich zu?
Ihr Gespräch dauerte noch etliche Minuten. Einmal wirkte der Kriegerprinz so verärgert, dass es ihn einige Mühe zu kosten schien, seinen Zorn im Zaum zu halten. Ein anderes Mal schüttelte er sichtlich voller Bedauern den Kopf. Daraufhin sackte die Graue Lady ein wenig in sich zusammen, als
Weitere Kostenlose Bücher