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Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht

Titel: Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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Tasche«, sagte Lucivar. »Mit ausreichend Kleidung für dich und Daemonar für ein paar Tage. Tu es gleich. Ich werde euch zum Bergfried bringen.«
    »Und dann?«, fragte sie, da es den Anschein hatte, als würde er dem nichts mehr hinzufügen.
    »Und dann begebe ich mich nach Dhemlan, um mich mit meinem Bruder zu unterhalten.«
    »Wenn du fort musst, kann ich doch Daemonar zum Bergfried bringen, sobald wir …«
    »Nein.«
    Sie blickte ihm in die Augen und sah die Qualen, die ihm die Erinnerungen an die Geschehnisse des letzten Jahres in Terreille immer noch verursachten. Damals hatte sie auch zum Bergfried reisen sollen. Stattdessen waren sie und Daemonar entführt und als Geiseln nach Terreille gebracht worden. Daemon hatte es geschafft, sie zu retten, indem er ein grausames Spiel spielte, doch der Preis, den sowohl Daemon als auch Lucivar dafür bezahlt hatten, war brutal gewesen.
    Sie würde das Leben ihres Sohnes nicht noch einmal aufs Spiel setzen, bloß weil sie sich weit genug von der Gefahrenzone entfernt wähnte. Und sie konnte weder das Herz des einen noch des anderen Mannes aufs Spiel setzen.
    »Gib mir zehn Minuten«, sagte sie.
    Lucivar wandte sich zur Seite, um sie vorbeizulassen. Er berührte sie nicht. Sie wagte nicht, ihn zu berühren. Er sah etwas in der Einladung, das ihr verborgen blieb. Was immer sich ihm entgegenstellte, was immer er tun musste – sie würde sich nicht mehr als das Messer benutzen lassen, welches man Lucivar an die Kehle hielt.
    Nie wieder.

    Surreal regte sich, zuckte zusammen und fluchte leise. Sie fauchte Rainier nicht an, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte und sie nach oben schob, bis sie aufrecht dasaß.
    »Wie fühlt sich deine Seite an?«, fragte er.
    »Als hätte mich ein Miststück mit rasiermesserscharfen Nägeln gekratzt«, erwiderte sie.
    Er ließ eine Hand unter ihr Hemd gleiten. Das brachte ihm nun doch ein Fauchen ein.
    Er achtete nicht auf sie, was mutig war, denn selbst ohne Kunst anzuwenden, konnte sie ihm einigen Schaden zufügen, bevor er sich außer Reichweite bringen könnte.
    Dann sog sie hörbar die Luft ein, als seine Finger behutsam die Haut um die Verletzung herum berührten.
    »Fühlt sich heiß an«, sagte er. Sorge trat in seine grünen Augen. »Es könnte entzündet sein.«
    »Ich habe die Wunden gereinigt«, entgegnete sie abwehrend.
    »Du wirst eine Heilerin aufsuchen müssen, sobald du hier herauskommst.«
    Das war einer jener schlichten Sätze, die die Angehörigen des Blutes in Kaeleer ausmachten. Hexen herrschten. Männer dienten. Und auf irgendeine Weise konnten diese beiden Tatsachen dazu führen, dass ein Begleiter eine Hexe zu einer Heilerin schleifte, bloß weil er der Meinung war, dass sie eine benötigte.
    Und die betreffende Hexe konnte sich ihm noch nicht einmal widersetzen, ohne dass sich alle übrigen Männer gegen sie verbündeten!
    Surreal konnte noch nicht einmal der anderen Hälfte seiner Aussage widersprechen: der Annahme, dass er bei dem Versuch, sie aus dem Haus zu schaffen, sterben würde.
    »Schön«, meinte sie mürrisch. »Ich werde eine Heilerin aufsuchen.«
    Rainier sah sich um. Sie hatten sämtliche Kerzen außer
derjenigen mit dem Hexenfeuer gelöscht und hatten die Lampen heruntergedreht, um Öl zu sparen. Das Licht schien nicht mehr so hell, da es nun mit einem Zimmer voll grauer Schatten anstatt echter Dunkelheit wetteiferte.
    »Wenn wir dem Licht, das durch die Fenster kommt, trauen können, dämmert es beinahe«, sagte Rainier.
    »Ich frage mich, ob wir überhaupt so lange überleben sollten, wie es uns bislang gelungen ist.«
    »Wahrscheinlich nicht, aber wir hatten einen Ansporn.«
    »Ja, sicher.« Wenn es sich bei dem eigenen Onkel um den Höllenfürsten handelte, hatte man nicht unbedingt Lust, aus einem törichten Grund dämonentot zu werden. Die Strafpredigten würden Jahrzehnte andauern.
    »Im Krug ist noch etwas Wasser übrig«, sagte er. »Wir sollten die Essensreste aufheben.«
    »Und wir müssen eine Entscheidung treffen.« Surreal stand auf und fluchte insgeheim. Sie fühlte sich steifer, als es eigentlich der Fall sein sollte, und ihre Seite schmerzte mehr, als sie sich eingestehen mochte. Wenigstens schienen sich ihre Lungen wieder erholt zu haben. »Entweder müssen wir nach oben, um das Badezimmer zu benutzen, oder wir müssen uns für eine Ecke entscheiden und auf einen Teppich pinkeln.«
    Die Kinder erwachten allmählich, also würden sie diese Entscheidung bald fällen müssen.

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