Die schwarzen Juwelen 06 - Nacht
Maus hinwerfen – nur um zu sehen, was dann geschähe.
Die Maus blieb noch einen Augenblick sitzen, dann huschte sie davon.
Klick-klack. Tip-tap.
*Ist das ein Zauber von Tersa gewesen?*, fragte Rainier.
*Muss wohl so sein.* Ein schönes Beispiel der Eleganz, von der Rainier gesprochen hatte. Bizarr? Sicher. Selbst für Tersa. Aber das Geschick, das für diese Art von Kunst nötig war, übertraf die bösen Überraschungen in dem Haus bei Weitem.
Und bei dem Gedanken an das hohe Maß an Kunstfertigkeit war sie sehr froh, dass Tersa nicht zu den Schwarzen Hexen gehörte, die ihnen nach dem Leben trachteten.
Auf dem Weg zu der Kutsche legte Daemon die Stirn noch tiefer in Falten. Wo im Namen der Hölle waren die Schutzschilde?
Jaenelle wäre gewiss nicht derart nachlässig gewesen. Es bestand kein Grund anzunehmen, die Landen hätten etwas gegen ihre Anwesenheit in ihrem Dorf oder würden sich nahe genug heranwagen, um eine Bedrohung für die Kutsche und ihre Insassen darzustellen; andererseits bestand aber auch kein Grund zu der Annahme, dass die Gefahr, die von dem Spukhaus ausging, an dem Zaun endete.
Dann streckte er die Hand nach der Tür der Kutsche aus – und spürte, wie Macht sich spiralförmig um seine Knöchel wand, seine Waden, seine Knie.
Keinerlei Warnung. Er rührte sich nicht, während Jaenelles Todeszauber wie eine zufriedene Katze um ihn herum strichen, wie Seide über seine Haut streichelten.
Seine mentale Signatur wurde allmählich von ihnen erkannt, die Juwelen, die er trug, und er als Mann.
Die Todeszauber gaben ihn frei und verblassten, nachdem sie zum Abschluss spielerisch zärtlich über seinen Schwanz gestreichelt hatten.
Sie lächelte, als er die Kutsche betrat, doch er stellte die Frage dennoch. »Ist das Letzte eben speziell für mich gedacht gewesen?«
»Natürlich.«
Jaenelle saß an dem kleinen Tisch in der Kutsche. Sie hatte eine Flasche Wein geöffnet, und in der Nähe ihrer Hand stand ein beinahe leeres Glas. Der Tisch war mit Papieren bedeckt. Er wusste nicht zu sagen, ob es sich um Nachrichten an Freunde handelte, die sie schrieb, um sich die Zeit zu vertreiben, oder um etwas anderes, das zu der Kälte passte, die er in ihrer mentalen Signatur spüren konnte.
Er stützte sich mit einer Hand auf den Tisch, beugte sich vor und gab ihr einen langen, zärtlichen Kuss. Dann wanderte sein Blick zu dem Jungen namens Yuli hinüber, der auf der kleinen Bank gegenüber fest schlief.
»Er hat Narben auf dem Rücken – und eine andere Art Narbe auf dem Herzen«, sagte Jaenelle eine Spur zu sanft.
»Was soll ich tun?«, fragte er genauso sanft. Eine aufrichtige Frage. Sollte sie ihn als Waffe gegen denjenigen benutzen
wollen, der dem Jungen wehgetan hatte, dann würde er ihre Waffe sein.
»Ich finde, die Distriktköniginnen sollten ermuntert werden, die Waisenhäuser in Landendörfern genauer unter die Lupe zu nehmen. Besonders die Häuser, in denen es üblich ist, Halbblutkinder großzuziehen.«
»Hat jemand von dieser Gepflogenheit gewusst?« Womit er fragen wollte, ob Saetan während seiner Herrschaft über Dhemlan davon gewusst hatte.
»Ja. Der Blutelternteil ist für das Kind verantwortlich, und für den Unterhalt des Kindes muss ein Mindestbetrag gezahlt werden. Falls der Elternteil nicht den vollen Betrag zahlen kann, muss die Königin den Rest aus dem Zehnten zahlen, der sie und ihren Hof unterstützt. Die Strafe, wenn dieser Mindestbetrag nicht entrichtet wird, ist … hoch.«
Er herrschte erst seit ein paar Monaten über das Territorium, und es hatte ganz den Anschein, als würde er die dhemlanischen Königinnen wieder einmal an ihre Pflichten erinnern müssen – und ihnen Todesangst einjagen.
Jaenelle legte eine Hand auf die seine. »Ich glaube nicht, dass es weit verbreitet ist. Ich weiß mit Sicherheit, dass Sylvia das Waisenhaus in dem Landendorf in ihrem Herrschaftsbereich regelmäßig überprüft, und sie kündigt ihre Gegenwart erst an, wenn sie durch die Tür spaziert.«
»Aha.« Er verstand, was sie ihm damit sagen wollte. Er herrschte über das Territorium, aber die Distriktköniginnen – und die Provinzköniginnen über ihnen – mussten ihre Teile Dhemlans auf ihre ganz eigene Art regieren können. Er setzte ihnen Grenzen, was er in seinem Territorium erlaubte und was nicht – und er würde sich um jeden kümmern, der töricht genug war, eine dieser Grenzen zu übertreten. Aber an jedem königlichen Hof herrschte ein anderer Ton, jeder Hof
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